: Wilhelmshaven – Vernunftshaven
■ Hafenplaner im Rausch der Tiefe: Es wird nur einen Tiefwasserhafen an der Nordseeküste geben – für Hamburger und Bremer Umschlagsfirmen gemeinsam
Die nächste Generation von Containerschiffen wird Bremerhaven und Hamburg nicht mehr anlaufen können. Künftig soll ein Tiefwasserhafen an der deutschen Nordseeküste Rotterdam Konkurrenz machen. Die Eurogate-Gruppe, bestehend aus der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft (BLG) und der Hamburger Eurokai, hat sich auf den Standort Wilhelmshaven festgelegt. Jetzt hat die Hamburger Lagerhaus-Gesellschaft (HHLA) sich für Cuxhaven entschieden. Das Land Niedersachsen will vor einer Entscheidung ein Gutachten der Unternehmensberatung Roland Berger abwarten. Die taz sprach mit BLG-Chef Detthold Aden.
taz: Der Tiefwasserhafen in Cuxhaven soll mit einer halben Milliarde Mark ein Drittel so viel kosten wie in Wilhelmshaven. Ist die Entscheidung damit gefallen?
Detthold Aden: Ich weiß nicht, ob hier richtig miteinander verglichen wird oder ob man Infrastrukturkosten und Suprastrukturkosten möglicherweise durcheinander bringt. Nach den uns vorliegenden Studien soll Wilhelmshaven preisgünstiger sein, weil man dort nicht mehr baggern muss.
Sie warten also das Roland-Berger-Gutachten ab?
Ja, ich glaube wir haben ein wunderbares Verfahren. Die drei Bundesländer – Niedersachsen führend, Bremen und Hamburg – haben vereinbart, dass man über die gemeinsame Studie die strategische Notwendigkeit und Entwicklung feststellen lassen will. Die Studie soll Ende August vorliegen, so dass im September eine Entscheidung getroffen werden kann.
Die HHLA sagt, dass sie den Bau in Cuxhaven allein finanzieren könnte. Ist das realistisch?
Ich vermute, dass die HHLA die Suprastruktur meint, die man für den Betrieb, braucht. Das beabsichtigt Eurogate auch in Wilhelmshaven aus eigenen Mitteln aufzubringen und nicht mit der öffentlichen Hand. Ich glaube nicht, dass die HHLA richtig verstanden worden ist, dass sie die Infrstruktur selbst finanzieren wollen. Das ist bisher noch nie dagewesen. Ich glaube, da werden einfach Begriffe verwechselt, wenn das so dargestellt wird.
Warum hat sich Eurogate auf Wilhelmshaven festgelegt?
In Wilhelmshaven ist mit niedersächsischer Förderung über Jahre eine Machbarkeitsstudie erarbeitet worden, deren Ergebnisse sich mit unseren strategischen Vorstellungen in Einklang bringen ließen. Zu dem Zeitpunkt hat über Cuxhaven noch niemand gesprochen. Bis vor kurzem schloss ein Vertrag unter Beteiligung der HHLA sogar aus, dass über Cuxhaven Container abgewickelt werden. Cuxhaven ist erst ins Gespräch gebracht worden, nachdem wir durch die Unterzeichnung der Absichtserklärung in Wilhelmshaven unsere Interessen gesichert haben.
Könnte der neue Hafen auch gemeinsam betrieben werden?
Wir haben uns natürlich den Aussagen der Politiker angeschlossen, dass man nicht über den Tiefwasserhafen den Wettbewerb zwischen der HHLA und Eurogate anheizen sollte. Deshalb haben wir immer gesagt, der Betrieb muss gegebenenfalls auch gemeinsam erfolgen. Wir haben der HHLA immer die Hand ausgestreckt.
Genau das tun die Hamburger jetzt ja anscheinend auch...
Ja, allerdings mit einem Hinweis auf kartellrechtliche Probleme. Die sehen wir nicht, denn es gibt ja nicht mehrere Tiefwasserhäfen an dieser Küste. Es ist dann ein Wettbewerb Tiefwasserhafen Nordseeküste zu Rotterdam. Meiner Ansicht nach kann man den neuen Hafen auch dann gemeinsam betreiben, wenn man ansonsten im Wettbewerb zueinander steht.
Ist Ihr Partner Eurokai davon genauso begeistert wie die BLG?
Begeistert – das lasse ich mal dahingestellt. Die befinden sich ja in einem vehementen Wettbewerb mit der HHLA. Aber ich glaube, dass am Ende im Tiefwasserhafen die Vernunft siegen wird. Ein Tiefwasserhafen nur für einen exklusiv macht eigentlich keinen Sinn.
Wenn es Cuxhaven wird, wird dann der ganze Umschlag über Hamburg abgewickelt?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Der Federverkehr für die Ostsee kann direkt weitergehen. Für den Schienenverkehr läge Bremerhaven günstiger.
Der neue Hafen ist also keine Bedrohung für Bremerhaven?
Ich sehe die Notwendigkeit eines Tiefwasserhafens aus zwei Richtungen kommend: Wir werden gemeinsam das Problem haben, egal ob wir in Bremen oder Hamburg sitzen, dass wir tiefer gehende Schiffe nicht mehr abwickeln können. Dafür brauchen wir eine Lösung. Und wir können über CT IV hinaus in Bremenhaven wohl kaum weitere Kapazitäten schaffen. Wir brauchen aber für unsere Reeder eine Antwort auf die zusätzlichen Kapazitäten, die wir über 2010 hinaus abwickeln müssen. Da bietet der Tiefwasserhafen eine zweite Antwort. Deshalb ist er für uns eine vernünftige Sache.
Fragen: Jan Kahlcke
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