: Weißer Neger Superstar
Amerikanische Mittelklassekids mutieren zu Möchtegernschwarzen und kaufen sich mit Sex, Gewalt und Geld ins Ghetto ein: James Tobacks Film „Black and White“ zeigt, wie HipHop endgültig zum All-american-Lifestyle wird – und zum Markenprodukt
von KERSTIN STOLT
Warren Beatty hatte Glück. Sein letzter Film „Bulworth“ wurde hier zu Lande gar nicht erst synchronisiert, sodass Beattys Reime nur im O-Ton zu hören waren. Im Falle von James Tobacks Film „Black und White“ hat man sich dagegen entschieden und schwarzen Slang in deutsche Teeniesprache übersetzt. Also zieht man sich in diesem Film nicht nur „voll die Vibrations rein“, die Synchronisation macht auch Tobacks Spiel mit kulturellen Differenzen weitgehend zunichte. Während im Original weiße Schulkinder Afroamerikaner imitieren, sprechen im Deutschen eh alle gleich. Und die Transgression, die darin steckt, wenn eine weiße Göre „I’m a call you. Aw-ight?“ nuschelt, muss man sich schon selber denken.
Indem die deutsche Fassung von „Black und White“ suggeriert, dass sich inzwischen eine Weltjugendsprache durchgesetzt hat, geht sie allerdings nur knapp am Ziel vorbei. Denn in „Black und White“ geht es um den Siegeszug von HipHop, der raus aus den Ghettos und in die Köpfe der heranwachsenden Oberschicht führt. Die erste Frage des Films lautet dabei, nach Lil’ Kim: „Kannst du Ghetto sein, ohne im Ghetto zu leben?“
Bijou Phillips bzw. Charlie, die sich am liebsten bei dem Ex-Dealer und Bald-Platten-Produzenten Rich (Wu-Tang-Produzent Power) herumtreibt, sieht da ebenso wenig ein Problem wie ihre weißen Freunde („my Niggas“). Dabei weist sie schon die trotzige Behauptung, als Amerikanerin alles tun zu können, was ihr passt, als Mitglied ihrer Klasse aus. Die Schwarzen haben dagegen erheblich mehr Einblick in gesellschaftliche Tausch- und Ausbeutungsverhältnisse – Rich und sein Protegé (Wu-Tang-Mitglied Raekwon) sind sich jedenfalls der Tatsache bewusst, dass Teile ihrer Kultur ein Konsumprodukt geworden sind und sie dafür Gegenleistungen verlangen können: Sex, zum Beispiel, oder Mord.
So ergibt sich eine schöne Gegenbewegung: Während die Afroamerikaner das Ghetto hinter sich lassen, indem sie es als Marke vertreiben, kaufen sich die Weißen so gut es geht ins Ghetto ein. Welche Sehnsüchte, Vorurteile und Missverständnisse dabei im Spiel sind, deutet der Film allerdings nur an. „Black and White“ gleicht da einer gut besuchten Stehparty, auf der alle Meinungen zum Thema mal geäußert werden, Toback aber lieber weitere VIPs einführt, als einen Punkt zu vertiefen.
Zugegeben, der Auftritt von fachfremden Stars (u. a. noch Claudia Schiffer, NBA-Spieler Allan Houston, Mike Tyson und Method Man) zeugt nicht nur von einem großen Bekanntenkreis, sondern dient vor allem der semidokumentarischen Erzählweise. Figuren wie Rich oder Schiffers Rolle als seelenlose Sirene gehen offenbar auf die Darsteller und ihr Image zurück. Dass viele ihre Szenen improvisiert haben, verstärkt den Verité-Effekt noch zusätzlich, trägt jedoch auch dazu bei, dass der Film so zerfahren wirkt: Tobacks Antiillusionismus ist von einer gewissen Wurstigkeit schwer zu unterscheiden. Und an medialen Selbstreflexionen hat man sich inzwischen satt gesehen, da kann Brooke Shields noch lange mit der Videokamera wedeln.
Trotzdem muss man anerkennen, dass Toback möglichst viel Distanz herzustellen versucht. Denn erst mal gilt es wohl festzustellen, dass die „white negroes“ längst nicht mehr die Avantgarde der USA darstellen, für die Norman Mailer sie gehalten hat. Und zur authentische Stimme ihres Landes werden Afroamerikaner auch nur noch als Geschäftsmänner.
„Black and White“. Regie: James Toback. Mit Robert Downey Jr., Brooke Shields u. a. USA 1999, 98 Min.
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