piwik no script img

Trinken Sie mit gutem Gewissen!

Ob Sprudel, Saft oder Eistee: Eine neue Studie wirft lieb gewordene Vorurteile auf den Müll. Die Mehrwegglasflasche hat nicht die beste Ökobilanz

von MATTHIAS URBACH

„Ich halte den Entwurf für zeitlos und würde sagen, verbessern kann man ihn eigentlich nicht.“ Dies sagte Günter Kupetz vor 30 Jahren über die Perlenflasche, die er damals entworfen hatte. Seither füllen die deutschen Brunnen-Unternehmen ihr Mineralwasser in Flaschen dieses Typs. Kupetz’ Einschätzung wurde nicht nur durch Designpreise bestätigt, sondern auch durch einen Umweltpreis für ökologisch innovative Getränkeverpackungen.

Doch Kupetz irrte. Zehn Forscher haben in den vergangenen vier Jahr für 700.000 Mark eine Ökobilanz für Getränkeverpackungen erarbeitet. Ergebnis: Zwar ist jede Mehrwegflasche bei kohlensäurehaltigen Getränken eindeutig allen Einwegflaschen oder Dosen vorzuziehen. Doch es geht noch besser: mit einer Pfandflasche aus Polyethylenterephthalat, kurz PET.

Damit räumt die Ökobilanz mit einem landläufigen Vorurteil auf. Ökoverbände, Verbraucherschützer, mittelständische Getränkefirmen und Gourmets kämpften jahrelang gegen die PET-Flasche. Kaum einer konnte glauben, dass eine Pfandflasche, die 15-mal umläuft, umweltfreundlicher sein könnte als eine Perlglasflasche, die im Schnitt 50-mal wieder verwendet wird, bevor sie aussortiert werden muss. Außerdem ist die Herstellung der PET-Flaschen energieintensiv, und es fallen mehr Schadstoffe an als bei der Glasflasche.

Ökobilanzen sind ein kniffliges Geschäft. Hunderte von Teilprozessen bei der Herstellung und Lieferung von Getränken wurden im Auftrag des Umweltbundesamts (UBA) ausgewertet und gegeneinander aufgerechnet. Wie viel Energie wird bei der Produktion der Flasche verbraucht? Wie viel Chemie ist zur Reinigung nötig? Wie stark fällt das Behältergewicht beim Transport ins Gewicht? Wie viel Rohstoffe und Waldfläche braucht man für die Herstellung eines Kartons? Wie gut und wie viel kann recycelt werden?

Doch die Mühe lohnt sich. Die differenzierte Berechnung ergab die leichte Überlegenheit der PET-Mehrwegflaschen gegenüber dem Glas. Denn die größten Umweltbelastungen kommen beim Transport zustande. Da schlagen die nur 70 Gramm schweren und in der Regel größeren PET-Flaschen deutlich ihre 600 Gramm schwere 0,7-Liter-Glaskonkurrenz. So spart PET Sprit und gleicht die anderen Nachteile aus.

Und noch ein zweites Ergebnis räumt mit Vorurteilen auf. Kartonverpackungen für Fruchtsäfte und Eistees erweisen sich als dem Mehrwegsystem ebenbürtig. Hauptgrund ist der Sammelfleiß der Deutschen, die inzwischen zwei Drittel der Kartons in den Gelben Sack schmeißen und so das Recycling ermöglichen. „Die Verpackungsverordnung hat ihre Wirkung entfaltet“, sagt UBA-Präsident Andreas Troge erfreut.

Konkret heißt das aber auch: Nur wer seine leeren Getränkeverpackungen in die Gelbe Tonne schmeißt, verhält sich so umweltfreundlich wie ein Mehrwegkäufer.

Eine große Rolle bei der Ökobilanz aller Verpackungen spielen die Transportwege. Deshalb empfiehlt das UBA, regionale Produzenten vorzuziehen. Ist der Anbieter weniger als 100 Kilometer entfernt, schmilzt der Vorteil der PET-Mehrwegflasche gegenüber Glas im Übrigen stark zusammen.

Klar ist aber auch: Egal ob Flasche, PET, Aluminium oder Dose: Werden sie nur im Einweg gebraucht, schneiden sie deutlich schlechter ab als jedes Mehrwegprodukt. Die Hoffnungen einiger Getränkegroßkonzerne, die Dose könnte ihr Stigma verlieren, erfüllten sich nicht.

Mancher Umweltverband hat Probleme, sich mit den neuen Erkenntnissen anzufreunden. Der BUND hiet dem UBA gestern „schwere Mängel“ der Studie vor. Deren Methodik war jedoch mit allen Interessengruppen immer wieder diskutiert worden. Die Kritik des BUND sei nicht haltbar, sagt UBA-Experte Stefan Schmitz. Und Andreas Troge weist auf einen häufigen Effekt gründlicher Ökobilanzen hin: „Beliebte und gewohnte Standpunkte sind dann oft schwerer zu verteidigen.“

Seit diesem Jahr gibt es auch eine Perlenflasche der Mineralbrunnen aus PET. Bislang will etwa ein Fünftel bis ein Viertel der Kunden die leichtere Flasche. Die Marktforschung bestätigt, dass für viele Verbraucher den PET-Flaschen noch immer ein Makel anhaftet. Sie sind nicht so elegant, sind geschichtslos und vermitteln keine Hochwertigkeit. Doch die Vorbehalte verschwinden langsam. Die Ökobilanz wird dazu beitragen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen