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Die Dose kriegt ihr Pfand weg

Trittin macht Getränkedosen zum Wertgegenstand: Er will Pflichtpfand von 15 bis 30 Pfennig einführen, um die Dosenflut einzudämmen. Zusammen mit dem Umweltbundesamt empfiehlt er, Getränke aus der Region zu kaufen

BERLIN taz ■ Das Pfand auf Dosen und Einwegflaschen soll kommen. Der grüne Umweltminister Jürgen Trittin beendete gestern bei der Vorstellung der „Ökobilanz Getränkeverpackungen“ alle Spekulationen über einen Verzicht der Bundesregierung auf ein Zwangspfand.

Seit gut einem Dreivierteljahr liefen Verhandlungen mit Industrie und Handel, das drohende Zwangspfanddurch eine alternative Lösung abzuwenden. Doch die Verhandlungen scheiterten im Juni am Widerstand des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Nun kündigte Trittin an, eine Novelle der umstrittenen Verpackungsverordnung auf den Weg zu bringen. Dabei ist weiterhin ein Zwangspfand vorgesehen.

Statt des jährlichen Geschachers um Mehrwegquoten und der Androhung eines Zwangspfandes möchte der grüne Minister allerdings eine klare Regelung schaffen. Demnach soll künftig auf alle Einwegverpackungen, ausgenommen Getränkekartons und Milchschläuche, grundsätzlich ein Pflichtpfand in Höhe von 15 bis 30 Pfennig pro Packung erhoben werden.

Damit will Trittin verhindern, dass der Mehrweganteil weiter sinkt. „Der Anteil der Dosen allein am Bierverkauf stieg zwischen 1991 und 1998 von 12 auf 20,5 Prozent“, erklärte der grüne Minister. Diese Entwicklung müsse gestoppt werden.

Eine Verpackungsnovelle brauchte die Zustimmung des Bundesrats. Würde Trittin dort scheitern, käme es aber trotzdem zu einem Zwangspfand auf Bierdosen. Denn schon zweimal wurde die Mindestquote für Mehrwegprodukte in der Verpackungsverordnung unterschritten, die noch aus der Amtszeit von CDUler Klaus Töpfer stammt. Sowohl 1997 als auch 1998 lag der Anteil von Mehrwegverpackungen unter 72 Prozent – zuletzt wurde die Quote 1998 um fast 2 Prozentpunkte verfehlt. Bestätigt die derzeit laufende Nacherhebung diese Zahlen, kommt es nach dem komplizierten Regelwerk der geltenden Verordnung zu einem Zwangspfand in den Bereichen Bier und Mineralwasser. Dass die Mehrwegquote erneut verfehlt wird, daran zweifelt unter Experten niemand mehr.

So wird also wahrscheinlich kein Weg am Pfand vorbeiführen – es sei denn, den Wirtschaftsverbänden BDI und DIHT gelingt es, beide Regeln zu kippen. Doch danach sieht es nicht aus. Zu unterschiedlich sind auch die Positionen innerhalb der Wirtschaft. Vor allem mittelständische Unternehmen können es sich nicht leisten, auf verschiedene Vertriebswege zu setzen – und bauen auf Mehrweg.

Gestern stellte Umweltminister Jürgen Trittin auch die Ergebnisse der zweiten „Ökobilanz Getränkeverpackungen“ vor. Daraus geht hervor, dass Mehrwegsysteme den Einwegsystemen deutlich überlegen sind. So trägt beispielsweise eine 1-Liter-Einweg-Glasflasche vier- bis fünfmal mehr zum Treibhauseffekt bei als eine Pfandflasche. Eine Aludose ist etwa doppelt so klimaschädlich wie ein vergleichbares kleines Pfandfläschchen – Weißblech und Einwegflaschen sind noch ungünstiger.

Überraschend stellte die Ökobilanz dagegen fest, dass Getränkekartons ähnlich umweltfreundlich sind wie Mehrwegflaschen. Als Konsequenz daraus will Trittin Einwegkartonskünftig rechtlich den Mehrwegverpackungen gleichstellen. Überraschend auch das Ergebnis des Vergleiches von PET-Pfandflaschen mit solchen aus Glas. Hier schnitt das Glas etwas schlechter ab – und zwar umso mehr, je weiter der Abfüller vom Kaufort entfernt liegt. Deshalb empfehlen die Autoren der Studie, möglichst Getränke aus der Region zu kaufen. „Global denken, lokal trinken“, scherzte Trittin.

Der grüne Minister will seinen Pfand-Plan nun mit Verbänden, den Fraktionen und den Bundesländern beraten. Die Reaktionen auf seinen Vorschlag waren gestern sehr unterschiedlich. Während der Deutsche Naturschutzring DNR, der Dachverband der Umweltverbände, eine Pfandlösung unterstützte, setzen die Umweltverbände BUND und Nabu auf eine Abgabe der Unternehmen für jede verkaufte Einwegdose anstelle des Pfandes.

Klaus Lippold, Vizechef der Unions-Bundestagsfraktion, hält ein Zwangspfand für den falschen Weg. Die Regierung solle ihre Politik neu ausrichten, „denn die Mehrwegquote der Verpackungsverordnung ist überholt“.

Die FDP-Umweltexpertin Birgit Homburger kritisierte, der grüne Umweltminister klammere sich „störrisch an die Drohkulisse der derzeit geltenden Verpackungsverordnung und an das Zwangspfand“. Die SPD-Umweltexpertin Marion Caspers-Merk unterstützte dagegen Trittins Vorschlag. „Die Verordnung muss so novelliert werden, dass nicht die Cola-Dose pfandfrei bleibt und Dosenbier mit Pflichtpfand bestraft wird.“

Der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) würde dagegen die Novelle am liebsten gleich ganz über den Haufen werfen: Die bisherige Verpackungspolitik müsse „umfassend überprüft“ werden. Die Unternehmen dürften auf keinen Fall mit einer neuen „Abgabenbürokratie“ belastet werden. Tatsächlich haben die Unternehmen aber gute Gründe, dem Umweltminister entgegenzukommen, schließlich droht im Falle des Nichtstuns durch die bestehende Verordnung ein Zwangspfand von 50 Pfennig pro Gebinde. Viel mehr, als Trittin plant.

Eine Novelle würde auch das unsägliche Gefeilsche der Vergangenheit um die genaue Mehrwegquote und dem komplizierten Verfahren ein Ende machen. Und sie würde, so hofft Trittin, die „Vermüllung der Landschaft“ beenden. Tatsächlich zeigt das Beispiel Schweden, dass ein Dosenpfand das Recycling der Dosen deutlich erhöhen kann. Dort werden 85 Prozent der Dosen wieder eingesammelt.

In Deutschland erreichen zwar die Weißblechdosen schon einen ähnlich hohen Rücklauf. Bei den Aludosen sind es aber bloß 50 Prozent. Allerdings gilt: Auch ein höherer Rücklauf würde die Dosen nicht umweltfreundlicher machen als Mehrwegflaschen.

MATTHIAS URBACH

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