: Rot-grüne Koalition gegen Stölzl
Fünfprozentige Kürzung aller Landeszuschüsse trifft auch die staatlichen Bühnen. SPD-Fraktionschef hält Vorgehen des Kultursenators für „unverantwortlich“. Designierter Opernchef Zimmermann darf unterdessen nicht weiter planen
von RALPH BOLLMANN
Die Berliner Theater steuern auf ein neues Desaster zu, und bis gestern hat es niemand gemerkt. „Das Gesamtvolumen der Zuwendungen jedes Geschäftsbereichs“, so beschloss es das Abgeordnetenhaus im April mit dem Haushaltsstrukturgesetz, sei „mit Wirkung ab dem Jahr 2001 um 5 von hundert abzusenken.“ Dass dieser Passus auch für die Bühnen gelten könnte, kam damals niemandem in den Sinn – schließlich war die zuständige Kultursenatorin Christa Thoben längst zurückgetreten, ihr Nachfolger Christoph Stölzl gerade erst gewählt.
Jetzt haben die Grünen und die SPD Alarm geschlagen. Denn mit dem Haushalt für das Jahr 2001, der den Parlamentariern in der kommenden Woche vorgelegt wird, hat der Senat diese Kürzung in die Tat umgesetzt – ohne dass der zuständige Ressortchef Stölzl öffentlich Alarm geschlagen hätte. Mit der neuerlichen Kürzung breche an den landeseigenen Opern und Theatern „unweigerlich das Chaos aus“, sagt die bündnisgrüne Kulturexpertin Alice Ströver. Und SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit hält es für „vollkommen unverantwortlich“, dass Stölzl der Kürzung zustimmte.
Das Problem: Die Bühnen, die bereits millionenschwere Defizite vor sich her schieben, müssen ohnehin schon die fälligen Gehaltserhöhungen durch Sparmaßnahmen kompensieren. Die geplanten „Strukturveränderungen“, die Stölzl vor der Sommerpause versprach, wirken höchstens langfristig – ob es nun um den Personabbau mittels Abfindungen geht oder die heiß debattierte Fusion von Staatsoper und Deutscher Oper. Besonders bei den Musikbühnen, die ihr Geld zu 85 Prozent für festes Personal ausgeben, gibt es kaum noch Spielraum. „Spätestens in zwei Jahren kommt der totale finanzielle Kollaps, weil dann nur noch Personal bezahlt, aber nichts mehr inszeniert werden kann“, fürchtet Ströver. Könnten die Theater die geforderten Einsparungen aber nicht erbringen, müsse wiederum das Land für die Defizite aufkommen.
Stölzl ließ über seine persönliche Referentin gestern mitteilen, die Kürzungen seien ja noch nicht vom Parlament beschlossen. „Wenn das so durchgeht, muss man sehen, wie das verteilt wird“, hieß es weiter. Beispielsweise müssten die Theater ihre eigenen Einnahmen erhöhen. Überdies rechnet Stölzl auch für das kommende Jahr mit einer Finanzspritze aus Lottogeldern, obwohl bereits rund 60 Prozent dieser Mittel für andere Zwecke verplant sind.
Bereits vollendet ist das Chaos in der Personalpolitik. Zu den Spekulationen über eine Fusion von Staatsoper und Deutscher Oper unter Daniel Barenboim als Generalintendanten will sich Stölzl zwar erst nach der Sommerpause äußern. Doch schon im Vorgriff hat der Senator dem designierten Intendanten der Deutschen Oper, Udo Zimmermann, weitere Planungen für die Zeit nach seinem Amtsantritt untersagt. Das teilten Wowereit und Ströver gestern unter Berufung auf Zimmermann mit.
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