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Viele Mauerreste, wenig Konzepte

39 Jahre nach dem Bau des „antifaschistischen Schutzwalls“ buhlen zwei Mauermuseen um Besucher

Die Hauptstadt rekonstruiert mal wieder ihre Geschichte – dieses Mal ist es billig: Für nur 250.000 Mark ist in den vergangenen Tagen die „Alliierten-Baracke“ am Checkpoint Charlie in Kreuzberg wieder entstanden. Morgen, zum 39. Jahrestag des Mauerbaus, wird ein originalgetreuer Nachbau des ersten Kontrollhäuschens der Schutzmächte in der geteilten Stadt eröffnet.

Keine Konkurrenz

Die Stadt tut sich schwer mit der Erinnerung an den „antifaschistischen Schutzwall“. In der „gewissen Euphorie“ der Wendezeit 1989/90 habe man die Zeichen der trennenden Grenze mitten durch die Stadt möglichst schnell beseitigen wollen, erklärt Alexandra Hildebrandt, Vorstandsmitglied des „Hauses am Checkpoint Charlie“ und Frau des Museumsleiters Rainer Hildebrandt: „Man wollte alles weghaben.“ So sind nur Reste der Mauer erhalten geblieben – und zwei einschlägige Museen buhlen um Besucher.

Für Alexandra Hildebrandt ist das andere Museum an der Bernauer Straße im Wedding „keine Konkurrenz“. Dort stehe nur eine Mauer, eingegrenzt von Mauern, die das Original mickrig erscheinen ließen. Außerdem habe ihr Mann seit 40 Jahren alles zur Mauer gesammelt, ja sein Leben dem „Kampf gegen die Mauer“ gewidmet – kann ihm da jemand Konkurrenz machen?

Dahinter mag auch etwas Neid stecken. Denn das Mauermuseum am Checkpoint Charlie finanziert sich, im Gegensatz zu dem an der Bernauer Straße, fast ausschließlich selbst – durch die Touristen, die dort mit ihren Bussen die Straße versperren. Deshalb sei die Kasse auch immer etwas knapp, sagt Alexandra Hildebrandt.

Nach einem Museums-Umbau, den man zuvor hinter sich gebracht habe, wolle man in ein, zwei Jahren alle Elemente des Grenzanlagensystems der DDR an Ort und Stelle aufstellen: vom „elektrischen Kontaktzaun“ über die Hundelaufanlage bis zur Metallspitzenmatte, deren Zapfen 20 Zentimeter hoch gewesen seien.

Die Gedenkstätte an der Bernauer Straße habe dagegen einen „größeren Sachanspruch“, sagt Gabriele Camphausen. Sie ist die Vorsitzende des Vereins „Berliner Mauer“, der das Dokumentationszentrum trägt. Die „dezidierte Haltung“ im „Haus am Checkpoint Charlie“ sei geprägt von der „persönlichen Sicht“ Hildebrandts, seiner Kreise und seiner Generation in den Zeiten des Kalten Krieges. Es gebe jedoch ein „freundliches Miteinander“ der beiden Institutionen, sagt Camphausen, die auch geschäftsführende Direktorin der „Topographie des Terrors“ auf dem früheren Gelände der NS-Verfolgungsapparate ist.

Schon kurz vor dem Aus

Das im vergangenen November zum 10. Jahrestag des Mauerfalls teileröffnete Dokumentationszentrum stand am Anfang dieses Jahres schon kurz vor dem Aus: Es war zwar mit 780.000 Mark von Bund und Land aufgebaut worden – aber wie die laufenden Kosten bezahlt werden sollten, das blieb unter dem damaligen Kultursenator Peter Radunski (CDU) ungeklärt. Erst durch „heftigen Medieneinsatz“ sei es gelungen, immerhin für dieses Jahr 400.000 Mark zu erhalten, so Camphausen. Man habe einen Etatbedarf von jährlich 518.000 Mark, samt Betriebskosten von 100.000 Mark. Dennoch ist sich die Vereinsvorsitzende sicher, mit dem Geld zurechtzukommen.

Zunächst im Sande verlaufen ist ein Plan des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU). Während einer Mauer-Gedenkfeier vor einem Jahr hatte er einen Ausbau der Gedenkstätte an der Bernauer Straße angeregt: „Die Mauer muss so gezeigt werden, dass künftige Generationen erfahren können, wie Mauer, Wachtürme, Todesstreifen und Hinterlandmauer wirklich ausgesehen haben.“ Denn: „Ein paar bemalte Mauerreste in der Stadt erfüllen diesen Zweck nicht.“

Doch über Kosten äußerte sich das Stadtoberhaupt damals nur vage. Diepgen forderte gleichwohl zusätzlich den Erhalt der Mauerreste an der Niederkirchnerstraße nahe dem Abgeordnetenhauses. Die verrotten immer weiter – immerhin wurde nun ein Schutzzaun um das historische Objekt angebracht. Allerdings erst auf Veranlassung von Gabriele Camphausen.

Ein drittes Museum?

Und dann gibt es noch die „East Side Gallery“, den von Künstlern aus aller Welt in der Wendezeit bemalten Rest der Mauer südlich des Ostbahnhofs. Die 1,3 Kilometer lange Open-Air-Galerie – womöglich die längste der Welt – soll nach dem Willen der dort mit ihren Werken verewigten Künstler ebenfalls ein Mauermuseum erhalten. Vor einem Jahr dachte man dabei an ein Begegnungszentrum für Künstler. Dazu haben sogar zwei Berliner Architektinnen einen Entwurf vorgelegt, eine Diplomarbeit für die TU. Auch dieses Projekt harrt noch seiner Verwirklichung.

Angesichts dieser Lage und der vielen in der ganzen Stadt verstreuten Gedenkstätten und Reste der Mauer fordert Gabriele Camphausen ein Konzept ein, wie diese historischen Orte und Objekte besser miteinander in Beziehung gesetzt werden könnten. Einen Auftrag des Senats an die Verwaltung, dafür einen Gesamtkonzeption zu entwickeln sei zunächst einmal an Geldmangel gescheitert. Die Stadt werde eben immer nur aktiv, „wenn ein Jahrestag droht“, klagt Camphausen. Berlin habe eben Probleme mit seiner Mauer-Vergangenheit, das sei „ganz klar“. Offenbar habe man beim Fall der Mauer die Reste dieses monströsen Bauwerks als Fessel auf dem Weg zu einer wirklichen Weltstadt empfunden – und dabei vergessen, dass man die Vergangenheit nicht vergessen dürfe.

PHILIPP GESSLER

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