: Schwimmversuche im tiefen Wasser
Gutachten soll bis Endes des Monats Sachauskunft über einen möglichen neuen Containerhafen an der Küste geben. Umweltschützer fürchten Dauerschäden im Watt ■ Von Peter Ahrens
Ob Hamburg es braucht, ist bisher noch reine Spekulationssache. Da soll vor der Haustür, möglichst in Cuxhaven, für Abermillionen ein neuer Containerhafen entstehen – aber es ist momentan noch unklar, ob der überhaupt notwendig ist. Doch bevor der künftige Bedarf für einen Tiefwasserhafen überhaupt ausgelotet ist, wird schon über einen Standort gestritten. Wilhelmshaven oder Cuxhaven – für die großen Hafenwirtschaftsunternehmen, die Hamburger HHLA und ihre Konkurrenz, die Eurogate-Gruppe, ist das eine Prestigefrage. Und während die Hafenwirtschaft schon rangelt, wohin man die Containerschiffe mit dem großen Tiefgang am besten schickt, melden sich nun auch zögernd die Umweltverbände zu Wort. Sie befürchten dauerhafte massive Schäden für das Wattenmeer, wenn der Tiefseehafen kommen sollte – egal, wo er dann sein wird.
Bis Ende des Monats sollen Gutachten der Roland-Berger-Unternehmensberatung Aufschluss geben, welcher Standort der bessere ist. Darauf haben sich die Länder Hamburg, Bremen und Niedersachsen verständigt. Sie spiegeln dabei eine Einigkeit vor, die es gar nicht gibt: Denn die Länder kochen ihre eigene Suppe. Für Hamburg ist klar: Cuxhaven ist der bessere Standort. Er liegt räumlich eindeutig näher als Wilhelmshaven, er habe bessere Hinterlandverbindungen, er sei planungsrechtlich schon weiter, das verkündet der Chef der Hamburger Hafen- und Lagerhausgesellschaft HHLA, Peter Dietrich. Den Mitbewerber qualifiziert er gern mit dem Argument ab, eine Entscheidung pro Wilhelmshaven und den dortigen Jadeport sei eine rein politische und keine Sachentscheidung. Wilhelmshaven sei eine Stadt, die wirtschaftlich und ar-beitsmarktpolitisch am Stock gehe. Nur daher werde der Standort von der dortigen Kommunal- und Regionalpolitik so massiv gepusht.
Was Dietrich verschweigt: Wilhelmshaven wäre der HHLA vor allem auch deswegen ein Dorn im Auge, weil sich dort die Eurogate engagiert. Eurogate, der Zusammenschluss aus der Bremer Lagerhausgruppe und der Hamburger Eurokai, hat sich mit dem Bremer Senat schon früh auf den Jadeport eingeschworen. Wilhelmshaven und sein Hinterland ist klassische bremische Interessensphäre, da hätten die Hamburger weit weniger zu melden. Der Chef der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft, Detthold Aden, hat in einem Interview mit der taz bremen in dieser Woche zudem noch einmal betont, dass aus seiner Sicht Wilhelmshaven sowohl preisgünstiger sei als auch bereits eine Machbarkeitsstudie vorliege, die den Standort in möglichst hellem Licht darstellt.
Dann gibt es noch das Land Niedersachsen, das sich beide Optionen offiziell immer offen gehalten hat. Allerdings ist es kein Geheimnis, dass der zuständige Wirtschaftsmi-nister Peter Fischer (SPD) kein überlautes Veto gegen einen Standort Cuxhaven einlegen würde: Denn das ist sein Wahlkreis.
Die Hamburger Wirtschaft unterstützt natürlich die Cuxhaven-Pläne. Alles andere wäre ein Af-front gegen das einflussreiche Handelskammer-Mitglied HHLA. Kammerpräsident Nikolaus W. Schües schreibt in der neuen Ausgabe der Kammerzeitung Hamburger Wirtschaft: „Cuxhaven bietet alle Optionen, falls größerer Tiefgang je eine Rolle spielen sollte.“ Allerdings betont er selbst, dass „ein zunehmender Schiffstiefgang fraglich ist“. Und selbst wenn die größeren Schiffe kommen, hat Hamburg, auch darauf weist Schües hin, noch erhebliche Kapazitätsreserven in Altenwerder und in Moorburg. Auch der oberste Hafenwerber, Hans-Ludwig Beth, hat sich in dieser Woche eher vorsichtig dazu geäußert, ob die Containerschiffe tatsächlich künftig so groß werden, dass sie mit ihrem Tiefgang nicht mehr durch die Elbe passen. Als Alternative brachte er zudem eine weitere Stufe der Elbvertiefung ins Gespräch.
Das ist allerdings ein Vorschlag, der sowohl politisch als auch ökologisch als absolut untragbar gilt. Für Beatrice Clauß vom niedersächsischen Umweltverband WWF „wäre das überhaupt nicht mehr zu akzeptieren“. Die Umweltschützer haben zum Thema Tiefwasserhafen lange Zeit keine Meinung gehabt, jetzt haben sie ihre starken Bedenken gegen das Großprojekt formuliert. Zu teuer, ökologisch vor allem für den benachbarten Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer mehr als schädlich, zu überhastet diskutiert – das sind ihre Argumente. Außerdem laufe der moderne Containerumschlag inzwischen so vollautomatisiert, dass ein neuer Terminal nur wenige Arbeitsplätze schaffen würde und strukturschwache Regionen wie die um Wilhelmshaven daher kaum davon profitieren würden. Falls die Großcontainerschiffe tatsächlich kommen, sollte man aus Clauß' Sicht viel- mehr über einen europäischen Nordsee-Tiefseehafen nachdenken – und der würde dann weder in Wilhelms- noch in Cuxhaven entstehen, sondern in Rotterdam. Für Clauß wäre es durchaus machbar, die Container in den Niederlanden zu entladen und sie dann mit kleineren Zubringerschiffen, den so genannten Feedern, auf die anderen Häfen zu verteilen. Ein Plan, der wirtschaftlich wohl sinnvoll wäre, den aber die Rotterdamer Konkurrenz aus Antwerpen, Bremen und Hamburg kaum mitmachen dürfte. Schon jetzt wird jede Veränderung in den Mitbewerber-Häfen misstrauisch beäugt.
Wenn einer der beiden Standorte an der niedersächsischen Nordseeküste das Rennen machen sollte, dann hat Clauß noch einen weiteren Vorschlag parat: Dann, so die WWF-Expertin, sei es ja nicht mehr nötig, Elbe und Weser auszubaggern und für große Schiffe wasserstraßenbereit zu machen. Dann könne man ja über eine Renaturierung der Flüsse, und das heißt Aufsandung, nachdenken. Auch das dürfte der Hafenwirtschaft reichlich sauer aufstoßen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen