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Richter drehen Sicherung heraus

Per einstweiliger Verfügung wird der Berliner Energiedeal zwischen den HEW und E.ON gestoppt. Hamburger bleiben gelassen  ■ Von Peter Ahrens

Am Firmensitz in der City Nord wird Gelassenheit demonstriert. „Es ist nach wie vor unser Ziel, Berlin und die Bewag zu stärken, und wir gehen davon aus, dass alle Vorbehalte des Berliner Senates ausgeräumt werden“, sagt Sprecher Johannes Altmeppen, und das ist auch der einzige offiziöse Satz, der gestern aus der Vorstandsetage der Hamburgischen Electricitätswerken HEW nach außen dringt.

Man will mit der öffentlich zur Schau gestellten Ruhe signalisieren: Die einstweilige Verfügung, mit der das Landgericht Berlin gestern den Stromdeal HEW-Bewag zunächst gestoppt hat, bringt den Hamburger Energiekonzern nicht aus dem Konzept, man arbeitet wie geplant weiter, das Milliardending ist nicht gefährdet.

Währenddessen zeigte sich der Energieriese E.ON, der den HEW in der Vorwoche seine Anteile an der Bewag zum 1. Januar 2001 verkauft hatte, von dem gerichtlichen Stopp „überrascht“.

Die Berliner Richter hatten gestern auf Antrag von Finanzsenator Peter Kurth (CDU) der E.ON untersagt, seine Bewag-Anteile ohne Zustimmung des Landes Berlin zu veräußern. Die Berliner Politik war verärgert gewesen, dass E.ON und HEW ihr Geschäft perfekt gemacht hatten, ohne zuvor beim Senat grünes Licht eingeholt zu haben. Man wolle „nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden“, begründete ein Sprecher der Finanzverwaltung den Gang vors Gericht. Jetzt will man in dieser Woche noch einmal mit E.ON sprechen, um die Zukunft der Bewag abzusichern.

Im Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen E.ON auf der einen und dem Berliner Senat auf der anderen Seite wartet der amerikanische Energiekrösus Southern Energy aus Atlanta. Der besitzt mit 26 Prozent ein gutes Viertel der Bewag und war bislang der Hauptanteilseigner. Nachdem die anderen beiden großen Teilhaber, PreussenElektra und Viag, sich jedoch zu E.ON zusammen geschlossen und den Deal mit den HEW klar gemacht haben, fühlt sich Southern Energy überrumpelt.

Die Amerikaner hätten die Anteile, die die HEW jetzt in Händen hält, selber gern gehabt und hatten deshalb auch um sie mitgeboten. Ein Sprecher von Southern kündigte gestern die Prüfung eigener gerichtlicher Schritte an, unabhängig vom Vorgehen des Berliner Senates. Die Bewag ist dabei so oder so im Kampf um die Marktpositionen nur eine Durchgangsstation: Sowohl HEW als auch Southern Energy wollen den Kauf des Berliner Unternehmens nutzen, um den ostdeutschen Strommarkt unter Kontrolle zu bekommen. Aus den Absichten, anschließend den ostdeutschen Energieversorger VEAG zu kaufen, machen beide denn auch gar keinen Hehl.

Was sich vor allem wie das komplizierte Gerangel um Anteile liest, berührt auch die Zukunft zahlreicher Arbeitsplätze. Southern wirft den HEW vor, mittelfristig zahlreiche Bewag-Kraftwerke zu schließen und den Osten mit überschüssigem Strom aus Schweden zu überschwemmen: Der schwedische Staatskonzern Vattenfall wird, das ist bereits beschlossene Sache, die HEW durch weitere Anteilkäufe übernehmen.

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