: Mit der Zivilklage gegen rechts
Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkof (CDU) will das Zivilrecht für den Kampf gegen Rechte erweitern. Bürger und Verbände könnten gegen Rechtsextreme klagen. Der geplante Gesetzentwurf könnte aber auch Linke treffen. Eine Analyse
von CHRISTIAN RATH
Kurt Biedenkopf macht seinem Ruf mal wieder alle Ehre. Der sächsische CDU-Ministerpräsident hat den wohl innovativsten Vorschlag der letzten Wochen im Kampf gegen den Rechtsextremismus vorgelegt. Durch zahlreiche Änderungen im Zivilrecht will er die Möglichkeiten von Bürgern und antiextremistischen Organisationen verbessern, selbst gegen „politische Umweltverschmutzung“ vorzugehen. Das Konzept wurde gestern in einem langen Beitrag für die FAZ vorgestellt.
Konkret will Biedenkopf, dass sich die Bürger mit Unterlassungsansprüchen vor „unzumutbaren Belästigungen“ schützen können. Wird von Rechten etwa die Forderung nach „ausländerfreien Zonen“ erhoben, sollen sich Bürger oder Verbände an das nächste Amtsgericht wenden können, damit den Urhebern die Wiederholung dieser Aussage verboten wird. Missachten die Rechten ein solches Verbot, würden Ordnungsgelder bis 500.000 Mark oder Ordnungshaft bis zu zwei Jahren (auch als gemeinnützige Arbeit) fällig. Fühlen sich Bürger von „gewaltgeneigten Extremisten bedroht“, könnten sie nach Biedenkopfs Vorstellungen bald auch ein Schmerzensgeld einfordern.
Die Ansprüche könnten einerseits von jedermann geltend gemacht werden. Gleichzeitig soll aber auch ein Verbandsklagerecht für „anerkannte Verbände zur Abwehr von Gewalt und Gewaltandrohung im politischen Wettbewerb“ eingeführt werden. Diese Gruppen könnten dann als antinazistische Abmahnvereine im eigenen Namen auftreten, aber auch private Ansprüche aller Art gegenüber rechten Einzelpersonen und Organisationen durchsetzen. Ziel Biedenkopfs ist dabei nicht zuletzt, Gruppen wie NPD oder DVU für die in ihrem Umfeld begangenen Taten zivilrechtlich haftbar zu machen. Hierzu schlägt der Ministerpräsident eine „Durchgriffshaftung“ gegen solche Organisationen vor. Bis Ende des Jahres soll ein Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht werden. Die konkrete Ausgestaltung der Initiative werde derzeit „intensiv geprüft“.
Bedenklich ist an diesem Vorstoß nicht zuletzt die gewisse Uferlosigkeit, die sich bereits in dem von Biedenkopf verwandten Begriff der „politischen Umweltverschmutzung“ andeutet. Es dürfte wohl kaum rechtsstaatlichen Ansprüchen genügen, dass sich ein Bürger oder Verband von einer konkreten Außerung oder Handlung „gestört“ oder „bedroht“ fühlt. Hierbei sollte auch nicht vergessen werden, dass Biedenkopf das Konzept gegen „alle Formen von Extremismus“, also auch gegen Linke, einsetzen will.
Im Kern dürfte sich der Vorschlag deshalb darauf reduzieren, dass Bürger, wenn sie konkrete Straftaten wie „Volksverhetzung“ oder die „Verunglimpgung des Staates und seiner Symbole“ beobachten, auch zivilrechtliche Wege beschreiten können. Bisher ist dies nicht möglich, da Staatsschutzdelikte oder „Straftaten gegen die öffentliche Ordnung“ nicht als „individualschützend“ gelten. Vor allem hier will Biedenkopf gesetzgeberisch ansetzen.
Für die Bürger würde sich dann allerdings nicht viel ändern. Während sie bisher zur Polizei gehen und eine Anzeige erstatten, könnten sie jetzt einen privaten Verband einschalten, der dann die Sache zivilrechtlich in die Hand nimmt. Misstrauen gegenüber der eigenen Polizei weist dabei Wolfram Jena, der Sprecher von Sachsens Justizminister Steffen Heitmann (CDU), weit von sich. „Es geht vielmehr um die aktive Einbeziehung der Bürger in den Kampf gegen den Rechtsextremismus.“
Neben diesem symbolischen Schulterschluss von Staat und Gesellschaft will Biedenkopf die Rechten vor allem finanziell treffen. Neben den Geld- und Haftstrafen sollen künftig eben auch saftige Ordnungsgelder verhängt werden, wenn es zu weiteren Straftaten kommt. Letztlich geht es also um eine Art Doppelbestrafung oder, wie Wolfram Jena sagt, „die finanzielle Austrockung“ der Rechtsextremisten.
Kein Wort findet sich in Biedenkopfs Beitrag zu einem anderen Versuch, das Zivilrecht politisch zu nutzen. Schon im rot-grünen Koalitionsvertrag ist vorgesehen, ein Antidiskriminierungsgesetz zu schaffen, mit dem Betroffene gegen Benachteilgungen im Alltag vorgehen können. Einen solchen Gesetzentwurf, der neben den Opfern von Rassismus zum Beispiel auch Behinderte schützen soll, will die Bundesregierung im nächsten Jahr vorlegen.
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