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Der Preiskampf wird härter

Offen bleibt die Frage, ob die Sieger der Auktion die Gewinner des Mobilfunkmarktes von morgen sind. Erst mal sind Milliardeninvestionen angesagt

von JENS UEHLECKE

Mit einer riesigen Blamage ging nach 173 Runden Gefeilsche gestern die Mainzer Milliardenauktion zu Ende. Die Favoriten T-Mobil und Mannesmann D2 gaben sich plötzlich mit zwei statt der erwarteten drei UMTS-Frequenzblöcke zufrieden. Damit war es möglich, dass die Versteigerung der deutschen zwölf Frequenzblöcke zu Ende ging, ohne dass einer der sechs verbliebenen Bieter aufgeben musste. Den vier kleineren Bietern Viag Interkom, E-Plus, Mobilcom sowie dem Konsortium 3G ist damit ein Überraschungssieg geglückt. Experten hatten damit gerechnet, dass einem von ihnen die Luft ausgeht.

Summa summarum müssen die fünf Unternehmen in den nächsten Tagen jetzt rund 98,8 Milliarden Mark an die Bundeskasse überweisen. Angesichts dieser horrenden Summe fragen sich Beobachter, warum T-Mobil und Mannesmann D2 sich nicht schon früher mit einer kleinen Lizenz zufrieden gegeben haben.

Bundesfinanzminister Hans Eichel freut das: Er nimmt dadurch über 30 Milliarden Mark mehr ein und kann damit fast sieben Prozent des 1,5 Billionen Mark hohen Schuldenberges abtragen, den der Bund vor sich her schiebt. Die daraus resultierenden Zinsersparnisse von jährlich rund fünf Milliarden Mark fließen voraussichtlich in Bildungs- und Verkehrsprojekte. Und auch die Verbraucher profitieren: Da sich jetzt überraschend sechs statt der erwarteten fünf Unternehmen den Mobilfunkmarkt der Zukunft teilen müssen, ist ein härterer Preiskampf zu erwarten.

Der Aktienmarkt reagierte gestern Nachmittag erleichtert auf das Auktionsende. Die Werte der an der Versteigerung beteiligten Bieter erholten sich schlagartig, nachdem sie in den letzten Tagen bei steigenden Geboten unter Druck geraten waren. Vor allem die Papiere von Mobilcom und der T-Mobil-Mutter Deutsche Telekom stiegen sprunghaft. Die Deutsche Telekom legte innerhalb einer halben Stunde um fünf Prozent auf 47,35 Euro, Mobilcom um rund 16 Prozent auf 121 Euro zu.

Bleibt die Frage offen, ob die Sieger der Auktion am Ende auch die Gewinner des Mobilfunk-Marktes von morgen sind. Neben den Milliardenbeträgen für die UMTS-Lizenzen stehen den Konzernen zusätzlich Milliardeninvestionen für den Aufbau der neuen Netze bevor. Experten schätzen, dass die Unternehmen in den nächsten zwei bis drei Jahren dafür noch einmal bis zu 50 Milliarden Mark einkalkulieren müssen.

Der Chefvolkswirt der Dresdner Bank, Klaus Friedrich, hatte angesichts dieser Summe schon während der Auktion davor gewarnt, dass sich einzelne Unternehmen beim Einstieg in das UMTS-Geschäft überschätzen könnten und sich damit der Gefahr eines Bankrotts aussetzten. Außerdem folgen noch Versteigerungen in diversen anderen europäischen Ländern, darunter das Handy-Mekka Italien.

Der neue Mobilfunk-Standard UMTS muss also ein Erfolgsschlager werden – und das hängt von mehreren Faktoren ab: „Die Unternehmen müssen neue, intelligente Mehrwertdienste entwickeln und diese dem Massenmarkt schmackhaft machen“, sagt Jens Kürten, Sprecher von Ericsson Consulting in Düsseldorf. „Nur mit der Grundgebühr und den Gebühren für Sprach- und Datenübertragungen werden die Konzerne ihre Investitionen nicht refinanzieren können.“ So könnte das Handy zum Beispiel schon bald Scheck- und Kreditkarten als Zahlungsmittel ablösen. An der Supermarktkasse gibt der Handy-Besitzer beim Bezahlen einfach seine Handy-Nummer an, erhält einen Rückruf von einem Bankcomputer und bestätigt die Abbuchung des Einkaufs von der Handy-Rechnung. Der Netzbetreiber erhält eine Provision für das Inkasso. „Wichtig ist allerdings, dass die Gebühren für solche Mehrwertdienste für den Massenmarkt bezahlbar sind“, sagt Jens Kürten. „Sonst wird UMTS kein Erfolg.“

Eine zweite wichtige Einnahmequelle für die Konzerne könnte eine neuartige Marketingform sein. Weil UMTS-Handys immer online sind, wissen die Netzbetreiber rund um die Uhr, wo sich ihr Kunde gerade aufhält. Dadurch können sie gezielt und ortsabhängig Werbung machen. Wer etwa bei McDonald’s vorbeifährt, auf dessen Handy-Display könnte demnächst ein Hinweis auf das neueste BigMäc-Angebot blinken. Wer sein Mobilfunk-Gerät nach Friseuren in der Umgebung befragt, bekommt eine Wegbeschreibung zum nächsten Hair-Stylisten – vorausgesetzt, dieser hat für den Eintrag in ein elektronisches Verzeichnis bezahlt. Für die Mobilfunk-Gesellschaften eine Goldgrube.

Eine Studie der WestLB Panmure rechnet damit, dass sich durch diese Mehrwertdienste der durchschnittlichen Umsatz pro Handynutzer in den nächsten zehn Jahren auf rund 150 Mark pro Monat anheben wird. Unklar ist allerdings noch, wie viel die Netzbetreiber an so genannte Service Provider abgeben müssen, die die zusätzlichen Dienste anbieten oder Inhalte für neue Informationsangebote liefern.

Dass man mit Mobilfunk-Netzen der dritten Generation Profit machen kann, hat die japanische Gesellschaft NTT DoCoMo vorgemacht. Sie bietet unter dem Namen „i-mode“ seit Februar 1999 das erste Internet-basierte Handynetz an. Seitdem konnte der Konzern sieben Millionen Teilnehmer gewinnen und den Umsatz pro Kunde um fast 30 Prozent steigern. Das Geschäftsmodell: Während das Unternehmen von seinen Kunden nur wenig mehr für die Zusatzleistungen verlangt, kassiert es von seinen rund 500 Partnern saftige Provisionen. Zum Beispiel, wenn ein Handy-Nutzer über i-mode einkauft, bezahlt oder kostenpflichtige Seiten im Internet aufruft.

Auch wenn seit gestern die Sieger der Mainzer Auktion feststehen, ganz zu Ende ist sie noch nicht. Unter den sechs Bietern will die Regulierungsbehörde in den nächsten Tagen fünf zusätzliche Frequenzblöcke versteigern, mit denen diese ihre neuen Lizenzen aufwerten können. Diesmal darf jedes Unternehmen so viele Frequenzen ersteigern, wie es möchte. Das Startgebot liegt bei 100 Millionen Mark pro Frequenz.

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