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Bahn fordert: Fahrt lieber Auto

Nach internen Unterlagen sollen alle Interregio-Strecken verschwinden. 800 Bahn-Arbeitsplätze im Norden sind gefährdet  ■ Von Peter Ahrens

Das Unternehmen Zukunft rüstet sich. Bergedorf, Flensburg, Lüneburg – die haben keine Zukunft. Die Bahn entrümpelt ihre Fahrpläne, und auf der Strecke bleiben die Interregio-Verbindungen. Der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands GdED in Hamburg liegen interne Papiere des Bahnvorstandes vor, in denen sämtliche Interregio-Linien bis 2003 abgeschafft werden. Während die Bahn noch auf laufende Verhandlungen verweist, ist für die Gewerkschaft klar: Künftig drohen nicht nur „katastrophale Konsequenzen für die Reisenden, sondern auch ein dramatischer Abbau von Arbeitsplätzen“.

Bahn-Chef Hartmut Mehdorn macht keinen Hehl daraus, dass er die Interregios für unrentabel hält. Das Unternehmen verhandelt daher zurzeit darüber, zahlreiche Interregio-Strecken an die Länder abzustoßen, die für den Nahverkehr zuständig sind. Die Folge: Aus relativ schnellen Interregio-Verbindungen würden regionale Bummelzüge.

Im Zuge des Konzeptes mit dem schönen Titel „Marktorientiertes Reiseangebot“ (MORA) soll – so die Unterlagen, die die GdED kennt – zum Beispiel die Interregio-Strecke Bad Harzburg-Hamburg-Flensburg-Fridericia völlig vom Fahrplan verschwinden. Auch die Strecke Hamburg-Stralsund steht zur Disposition. Wenn die Bahn zudem überlegt, Interregios in für sie lukrativere ICE-Verbindungen umzuwandeln, verschwinden, davon ist Johann Reis von der Gewerkschaft überzeugt, zahlreiche Haltepunkte: In Bergedorf und Büchen halten zum Beispiel jetzt noch Interregios. Es ist reichlich unwahrscheinlich, dass diese kleineren Standorte zu ICE-Haltepunkten aufgewertet werden.

„Demnächst haben wir nur noch die Elite-Bahn, die zwischen Hamburg, Berlin, Frankfurt und München hin und her fährt“, schwant Reis: „Aber was ist mit Elmshorn, Neumünster oder Lübeck?“ Den Gewerkschafter regt aber nicht nur auf, dass Verbindungen gestrichen werden. Zudem stehen auch zahlreiche Arbeitsplätze vor dem Aus. Wenn es weniger Haltepunkte gibt, braucht es auch weniger Einsatzstellen für Lokführer und Zugbegleiter. Tritt derzeit in Flensburg ein Lokführer seinen Dienst an, muss er künftig von Hamburg aus starten, malt Reis an die Wand: „Der hat in Flensburg sein Häuschen, den kann man nicht so einfach umpflanzen.“ Falls er überhaupt seinen Job behält: Die GdED rechnet mit 800 Stellenkürzungen allein im Bereich Hamburg und Schleswig-Holstein. In den letzten fünf Jahren sind bei der Bahn im Norden ohnehin schon 5000 Arbeitsplätze abgebaut worden.

Die Bahn selbst hüllt sich in Schweigen und will vor Ende der laufenden Verhandlungsrunden mit den Ländern gar nichts sagen. Die Gewerkschaft mag nicht mehr abwarten: „Wir würden nicht an die Öffentlichkeit gehen, wenn wir die Hoffnung auf ein Entgegenkommen des Bahnvorstandes nicht aufgegeben hätten“, sagt Reis. Er hält die Politik der Bahn für „völlig falsch: Man zwingt die KundInnen damit wieder ins Auto.“

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