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Ein Brasilianer in München

Mit 13 Jahren wollte Zé do Rock Pilot werden, dann ist er um die Welt getrampt und in Deutschland gestrandet. Erst hat es der freie Autor mit „ultradeutsch“ versucht, jetzt schreibt er „wunschdeutsch“

„Die leute hir müssen nich glauben, dass es in der u-ban in Sao Paulo lustiger zugeet.“

Interview EDITH KRESTA

 taz: Zé, wie kamst du nach Deutschland?

Zé do Rock: Ich bin – teilweise mit meiner frau – um die welt geträmpt, 200.000 km, und eines tages waren wir in Deutschland und pleite, da ham wir als schwarzarbeiter ein jobb gefunden. Meiner frau ire großeltern waren deutsche, sie bekam später ein deutschen pass und ich eine aufenthaltserlaubnis. Woran man sit, das Deutschland keine probleme hat mit doppelter statsangehörigkeit, vorausgesetzt der mensch hat deutsches blut. Später ham wir uns getrennt, aber ich hatte immer wider eine fraungeschichte in Deutschland und bin am ende hängen gebliben.

Hast du Deutsch schon in Brasilien gelernt?

Meine urgroßeltern fünfter generazion kamen aus Litauen, Deutschland und Russland. Aber sie sind alle in gegenden in Brasilien gezogen, wo man fast nur deutsch gesprochen hat, bis zum zweiten weltkrieg. Wir ham kein richtiges deutsch gesprochen, sondern katarinisch. Das is pidgin-deutsch mit pidgin-brasilianisch. Der satzbau is deutsch, die hauptwörter sind meistens brasilianisch.

Und in Deutschland hast du dann Bayrisch gelernt?

Ich hab schnell richtig beirisch gelernt. Das is allerdings in München nich angesagt mit seiner mischung aus beirisch und hochdeutsch. Mein dialekt ist auch zu stark, fast schon karikirend.

Bereicherst du die deutsche Rechtschreibreform mit Kreolendeutsch?

Nein. Ich mach ja keine mischsprache. Ich hatte schwirigkei- ten mit der deutschen sprache. Im deutschen gibt es vile künstliche schikanen. Vile sagen es is exakt, aber es is wansinnig kaotisch. Ich will zeigen, das es auch einfacher get. Man braucht dise hunderten von komma- und andren zeichensetzungsregeln nich.

Aber von deiner vereinfachten Sprache gibt es doch auch zwei Versionen?

Ja. Das erste buch is auf ultradeutsch, da hab ich alles vereinfacht, was zu vereinfachen war. Im zweiten buch is es wunschdeutsch. Es hat nix mit ausländisch zu tun. Es is ser inländisch. Ich hab immerhin 9.000 leute befragt, nach iren änderungswünschen.

Und, ist was eingeflossen in die Rechtschreibreform?

Leider nich. Ich kam ein bisschen zu spät. Ich hatte kontakt mit ein par leuten, die meinten es is nich wissenschaftlich. Wenn die wissenschaftler es schaffen eine rechtschreibreform zu machen, die von 80 prozent der menschen nich angenommen wird, dann kann man auf die wissenschaft auch verzichten.

Beherrschst du eigentlich die deutsche Grammatik?

Nein, nich so richtig, aber besser als ein ausländer, der nur banhofsdeutsch kann. Nur, MICH und MIR zu verwexeln, kommt bei mich nich vor! Ich beherrsch besser die rechtschreibung, weil ich ein besseres visuelles gedächtnis hab.

Was ist Sprache für dich?

Sie is der boden auf dem die gedanken gen. Auch wenn der gedanke der gleiche is, get er etwas anders wie er im wald oder auf einer geterten straße get. Man könnte auch sagen, das die sprache die gedanken koloriert.

Ein Brasilianer in Deutschland. Kommt das gut?

Man is gern geseen in Deutschland. Etwa so: „Wo kommst du her? Aus Brasilien. Ach komm, gib nich an.“ Ansonsten denkt man bei Brasilien an slums, Amazonas, karneval und lebenslust. Es is exotisch und man verbindet brasilianer nich mit gastarbeiter oder asylanten. Und in Brasilien gibt es andersrum eine gewisse faszinazion für Deutschland. Es gibt ja 5,5 millionen deutschstämmige dort.

Was fasziniert?

Das klischee von perfekzion. Bei Deutschland denkt man aber auch an nazis, rechte. In Rio, einer der gefärlichsten städte der welt, sagt man mir, was, du fliegst nach Deutschland??? Pass auf, es ist ganz gefärlich dort! Sie werden dich abfackeln!

Was ist an den Klischees dran?

Die deutschen sagen über sich: schau in der u-ban dise tristen gesichter, aber die leute müssen nich glauben, dass es in der u-ban in Sao Paulo lustiger zugeet und die leute samba tanzen.

Hast du Angst in Deutschland?

Ich se nich wie ein ausländer aus. Ich verschwind in der masse. Bedrolich war es für mich nie.

Schafft der Titel deines ersten Buches „fom winde ferfeelt“ plus dein ungewöhnlicher Name nicht Verwirrung im Buchhandel?

Ja, das war ein großes problem. Ich hatte 100 kritiker, fast alle begeistert, aber das buch war nirgends zu finden. Bei eim kleinen verlag is der vertrib nich so gut. Man musste das buch also bestellen. Die meisten kritiken ham die tittel falsch geschriben, die meisten leute ham sich den autorennamen falsch gemerkt, sogar im verlagsprogramm von Kiepenheuer wo ich dann später veröffentlichte war der tittel falsch geschriben. Nimand wusste, wo er suchen sollte. So sind vile buchverkäufe nich zustande kommen.

War es schwer, in die Feuilletons und die Verlage zu kommen?

Ich hab immer große kisten geschickt mit eim Cinzano und mit eim manuskript. Den Cinzano damit der lektor apetit aufs buch bekommt. Ich hab immerhin ser schnell und ser persönliche absagen bekommen. Ich hab ein jar gesucht um ein verlag zu finden. Ich hab relativ vil glück gehabt. James Joyce soll zen jare gesucht ham. Es war mein glück, das meine geschichte ungefär gleichzeitig mit der rechtschreibreform gekommen is. Sonst hätt ich nie so vil medienrummel gehabt.

Wie schreibst du Cinzano?

Ich würde weiterhin Cinzano schreiben, weil es eine marke is. Normal würd es auf ultradoitsh Tshinsano heissen, auf wunschdeutsch Tschinsano, aber in ultradoitsh oder wunschdeutsch kann man fremdwörter eindeutschen WENN MAN WILL, und hir würd ich’s wider nich tun weil es dann vil länger is.

Du bist viel gereist. Reist du noch?

Am ende meiner reisen war alles nur noch rutine, alles was ich geseen hab, hab ich schon wo anders geseen. Es gab nich mer richtig neues. Wenn ich was geseen hab, hab ich es mit dem oder dem auf der welt verglichen. Die beziungen waren eer oberflächlich. Ich reise jetz nich mer geografisch, sondern durch situazionen, weil meine situazion sich immer ändert. Ich reise geistig.

Was ist dein Traum außer reich und berühmt zu werden?

Da gibt es nich mer vil. Bis 13 wollt ich pilot werden . . .

Und dann bist du getrampt . . .

Ja. Ich hatte immer zwei pläne: um die welt zu trämpen und mindestens zwei gute filme zu dren. Den ersten plan hab ich verwirklicht, an den filmen bin ich grade dran. Ich hab ein drebuch geschriben, Taxi to Timbuktu. Das is mein näxtes projekt und ich schreib ein weiteres buch, doiglish text und lerbuk – der gnadenschuss für sprachunbegabte. Es is a mix aus deutsh und english. Da devellop sik the deutsh spach in ritung english, oft over plattdeutsh. Fur exempel zwanzig – zwanzi – twanti – twanty – twenty, oder offen – oppen – open.

Rocks Buch „vom winde ferfeelt“ enthält autobiografische Einblicke: „ein brasilianer trämpt um die welt und hat dauernd probleme mit roiban, polizai und fraun. als er maint, er hätte das gröbste hinter sich, begegnet er der doitshen sprache.“ Was er mit dieser anstellt, ist vergnüglich nachzulesen. Im Piper Verlag erschien gerade auch sein zweites Buch: „Ufo in der Küche“ (16,90 DM), ein „autobiografischer seiens-fikschen“.

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