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Beinlichs strahlende Zukunft

Dank eines groß aufspielenden Stefan Beinlich gewinnt Hertha BSC mit 4:0 gegen den Hamburger Sportverein. Die ausgelassene Stimmung trübt nur eine Verletzung des neuen Spielmachers

Aus Berlin MARKUS VÖLKER

Die Augen strahlten. Ein Dosimeter wäre wohl explodiert. Ein Geigerzähler hätte laut geknackert. Egal, ob Dieter Hoeneß oder Michael Preetz, ob Marko Rehmer oder Dariusz Wosz, sie alle schickten Strahlung im Bereich hoher Becquerel-Werte ins Olympiastadion. 48.555 Menschen waren gefährdet. Nur einer war schlecht drauf beim Abgang in die Katakomben. Ausgerechnet der zweifache Torschütze. Derjenige, der das Spiel im Mittelfeld bestimmte und nicht übel aufspielte: Stefan Beinlich (28).

Der Hamburger Stig Töfting war’s, der Beinlich kurz vor Schluss an den Knöchel trat. Dick über dem Schuh bandagiert humpelte Beinlich zur Kabine. Sagen wollte er zunächst nichts. Die Verletzung, von der der Hertha-Medizinmann zu berichten wusste, dass es sich um eine Prellung mit Schürfwunde drauf handelte und von der er hoffe, dass es keine Fraktur oder schwere Bänderverletzung sei, trübte die Stimmung ein wenig. Manager Hoeneß gab Beinlich mit auf den Weg: Am Tag danach werde es erst richtig schmerzen, wenn das Blut in den Knöchel eingeschossen ist und nachts der Puls am Bein merklich pocht.

4:0 hatte die Hertha den HSV besiegt. Vor Wochenfrist bekamen die Berliner vier Tore. Trainer Jürgen Röber baute dennoch eine Verbindung zum ersten Spieltag: „Auch in München waren wir die bestimmende Mannschaft“, sagte er, „das Ergebnis hat nur nicht gestimmt.“ Hertha löste beim ersten Bundesliga-Heimspiel der Saison das Versprechen des Coaches ein, attraktiver zu spielen. Zugute kam der Mannschaft, dass Andrej Panadic nach einer halben Stunde die gelb-rote Karte sah, vom Feld musste und grummelte: „Muss jetzt leer mache Kopf. Mannschaft dann Feuer gebe bei nächste Spiel.“

Das Flügelspiel der Herthaner lief, der Ball auch – meist über Beinlich. In München noch wirkte der Neuzugang gehemmt, was am Trainingsrückstand lag. Er musste Übungsstunden auslassen, weil ihn eine Entzündung im Knöchel behinderte. Nun sei er fit gewesen, verriet er, unabdingbare Voraussetzung für eine „Weltklasseleistung“ (Rehmer).

Hat die Hertha nun einen neuen Helden, ging die Frage an Hoeneß. „Wer, Völler oder was?“, entgegnete er. Auf der Tribüne verfolgte er das Spiel neben dem Teamchef der deutschen Nationalmannschaft, der ihm eröffnete: „So eine erste Halbzeit sieht man nicht oft in einem Stadion.“ Doch Hoeneß war natürlich auch angetan von Beinlichs Ballkünsten: „Das war das, was wir uns von ihm erhofften. Sehr viel mehr kann man nicht erwarten.“ Beinlich sagte, es spiele keine Rolle, ob Völler das Match beobachte oder nicht, es sitze ja eh immer einer vom DFB da oben.

Überdies machte der Balsam geschmeidig, den die Nationalkicker beim Länderspiel in Hannover aufgetragen bekamen. Es sei gut für Sebastian Deisler, Rehmer und Wosz gewesen, einem Ereignis beigewohnt zu haben, bei dem die Spieler gefeiert worden seien, meinte Hoeneß.

Frank Pagelsdorf, Trainer des Hamburger Sportvereins, fasste seinen Unmut in wenige Worte, dafür drang er umso wässriger aus jeder Pore. Von der Leistung seiner Mannen hielt er: Wenig. Es bedurfte seines ganzen Phlegmas, um das Geschehen auf dem Platz nur als „konfus“ und „ängstlich“ zu beschreiben. „Die waren einfach besser“, sagte er.

Selbstbewusst und spielsteuernd kickte dagegen Beinlich. Röber verriet, der „Paule“ sei einer, der sehr gerne trainiert und also folgerichtig an die zweite hervorragende Halbserie der Vorsaison in Leverkusen angeknüpft habe. Beinlich sah noch Verbesserungsmöglichkeiten: „Das Optimum gibt’s nie, es waren noch ein paar Fehler drin.“ Röber ortete zu langes Halten der Bälle, fand aber Gefallen am unauffälligen Sturmduo Michael Preetz/ Piotr Reiss – nicht mehr als ein diplomatischer Welfare-Akt.

Beinlich füllte dann, geduscht und getapt, doch noch die Blöcke der Journalisten. Er glaube, es sei nichts Ernstes mit dem Knöchel. Schmerzen, ja. Aber: „Wenn man keine Schmerzen hat, lebt man auch nicht mehr.“ Danach strahlte auch er. Geschätzter Messwert: 4.000 Becquerel.

Hertha BSC: Kiraly - Rehmer, van Burik (56. Konstantinidis), Tretschok, Hartmann (46. Michalke) - Deisler (71. Simunic), Schmidt, Wosz, Beinlich - Preetz, Reiss Hamburger SV: Butt - Panadic, Hoogma, Hertzsch - Groth, Kovac, Barbarez (46. Töfting), Maul - Präger, Yeboah (46. Heinz), Ketelaer (71. Mahdavikia) Zuschauer: 48.555; Tore: 1:0 Beinlich (18.), 2:0 Beinlich (32.), 3:0 Hartmann (34.), 4:0 Rehmer (75.); Gelb-Rot: Panadic (30.)

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