: Schulstreit: Aufstand im Dort Arsten
■ Ein verärgerter Grundschul-Leiter, der vom eigenen Kollegium abgelehnt wurde, verteilt seine Verärgerung über Flugblatt
„Arsten ist eine gewachsene Dorfgemeinschaft", sagt Holger Rasmussen. 31 Jahre lang hat er an der Grundschule Arsten gearbeitet, die letzten 23 Jahre als Leiter der Schule. Nun hat er die Nase gestrichen voll – von seinem eigenen Kollegium. So voll, dass er es in der „Dorfgemeinschaft“ laut herausschreien musste: 5.000 Stück ließ er von einem Brief „An die Bürger Arstens“ drucken, in dem er klarstellt: „Unzumutbar“ sei die Zusammenarbeit mit seinem Kollegium. „Neid“ und Missgunst“ würden an seiner Schule herrschen. Bei seinem Kollegium diagnostiziert er „Trägheit“ und „Lustlosigkeit“. Er habe auf die Leitung der Schule verzichtet und werde in Huchting an einer Schule arbeiten. An seinem neuen Arbeitsplatz hoffe er, „auf ein engagiertes und aufrichtiges Kollegium zu treffen“.
Wie konnte es zu soviel Gift in der „Dorfgemeinschaft“ kommen? Schulleiter Rasmussen hatte angespart für ein „Sabbatjahr“, das er in Spanien verbracht hat. Kurz bevor er in diesem Sommer auf seine alte Stelle wiederkommen wollte, erreichte ihn – und die Behörde – ein Brief des Kollegiums, über dessen Inhalt in Arsten nur Gerüchte schwirren. Klar ist: Die Lehrerinnen – das Kollegium besteht aus Frauen, nur die beiden Schulleiter waren Männer – teilten mit, sie wollten lieber mit der Interims-Schulleiterin Christel Brückner weiter arbeiten.
Niemand sprach sich für den langjährigen alten Chef aus. Nur seine treue Sekretärin hatte ihn in Spanien auf dem Laufenden gehalten, sie hatte auch geholfen, die Schmäh-Flugblätter im Stadtteil zu verteilen. „Wie in einer Bananenrepublik“, sagt Rasmussen. Reist der Häuptling außer Landes, probt das Volk den Aufstand.
Er habe doch mit seiner Kabarett-Gruppe die Schulfeste immer attraktiv gemacht, hatte der alte Schulleiter seine Verdienste noch einmal herausgestrichen. Und 15.000 Mark für ein Spielgerät für den Schulhof gesammelt. Gegenüber der taz räumt er aber ein: „Ich weiß nicht, was sich da angestaut hat.“ Vielleicht sei er ein wenig unsensibel gewesen.
Bei der Schulbehörde ist man irritiert über den Brief in den Arster Briefkästen. Mit Rasmussen sei vereinbart worden, den Vorgang vertraulich zu regeln, heißt es. Zu einer Personalangelegenheit gibt es aber weiter keine Auskunft.
Auch die neue Schulleiterin Christel Brückner will sich aus dem alten Streit „ganz heraushalten“. Aber den Vorwurf, ihr Kollegium sei „träge“ und „lustlos“, den kann sie nicht hinnehmen. „Das Kollegium ist prima“, sagt sie, und „sehr motiviert“. Dass ein neuer Wind weht, bestätigen die Elternsprecher, die sich gegenüber der Behörde auch für die weitere Zusammenarbeit mit der Interims-Schulleiterin ausgesprochen hatten. Es sei eben manchmal ein Problem, „wenn jemand 30 Jahre auf seinem Posten sitzt“, sagt Elternsprecherin Andrea Schlüter. Aber die Laufbahn-Ordnung für Beamte sieht keinen normalen Wechsel vor der Pensionierung vor.
In dem Jahr ist zum Beispiel ein Elternverein gegründet worden – die Eltern fühlen sich angesprochen von der neuen Schulleitung und motiviert, mitzuhelfen. Das verpflichtet: Als im Frühjahr die Elternschaft einer Klasse mit einem Schulstreik drohte, weil eine Lehrkraft den Eltern untragbar erschien, da zog die Schulleiterin mit und das Problem wurde vertraulich im Sinne der Eltern geklärt.
Dass „viel in Bewegung“ gekommen ist in seinem Sabbatjahr, sieht auch Rasmussen. Mit seinem Kollegium hat er darüber aber auch im Nachhinein nicht sprechen können. Und was sagt die neue Leiterin? „Wir wollen es uns für die Kinder schön machen“, formuliert Christel Brückner ihre Idee von Schul-Leitung. K.W.
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