: Haftbefehle treiben das Regime Kabila in die Enge
Beispiel Pinochet: Nach Außenminister Yerodia muss auch Präsident Kabila mit einem Gerichtsverfahren wegen früherer Menschenrechtsverletzungen rechnen
BRÜSSEL taz ■ Die Verhärtung der Position von Kongos Präsident Laurent-Désiré Kabila gegenüber der Welt ist nicht nur politisch, sondern auch psychologisch zu betrachten. Als die Beziehungen zwischen Kabila und dem Westen noch besser waren, sagte der Präsident einmal: Nicht ich nähere mich der Welt an, sondern die Welt kommt zu mir. Und jetzt igelt sich Kabila nicht nur selbst ein, sondern sieht sich auch als Opfer internationaler Verfolgung.
Persönlich in die Enge getrieben fühlt sich Kabila, seit ein belgischer Richter im Juli Haftbefehl gegen Kongos Außenminister Abdoulaye Yerodia erließ. Überlebende der gegen die Tutsi gerichteten Pogrome in der Hauptstadt Kinshasa im August 1998 sowie die zivile Oppositionspartei UPDS hatten Klage gegen Yerodia wegen „Aufstachelung zum Völkermord“ eingereicht. Yerodia soll damals, zu Beginn des Krieges, über Rundfunk zur „Ausrottung des Aggressoren-Ungeziefers“ aufgerufen haben. Klägeranwalt Pierre Himpler zitiert aus Yerodias offiziellem Appell: „Die Tutsi riskieren das Schicksal der Juden: Sie sind perfide, brutal, nachtragend und blutrünstig“.
Die Affäre führte zur diplomatischen Krise zwischen Kongo und Belgien, und sie ist möglicherweise erst der Anfang einer Kette von Gerichtsverfahren, die bis zu Präsident Kabila reichen könnten. Weitere Verfahren in dieser Sache, die allerdings noch nicht zum Erlass von Haftbefehlen geführt haben, wurden bereits gegen Kabila selbst angestrengt sowie seinen Cousin und Innenminister Gaetan Kakudji, seinen Informationsminister Didier Mumengi und seinen PR-Berater Dominique Sakombi Inongo. Und jetzt droht Kabila weiteres Ungemach wegen Menschenrechtsverletzungen aus den Sechzigerjahren.
Der Exilpolitiker Georges Kimba, Präsident der „Gemeinschaft der Übersee-Katanger“ (Cokatom), hat ein Weißbuch erarbeitet, in dem unter Kabilas Verantwortung verübte Gräueltaten in Kongos Südprovinz Katanga während der Kongo-Krise der frühen Sechzigejahre aufgelistet sind. Katanga war damals unter dem Sezessionistenführer Moïse Tschombé einige kurze Jahre lang ein probelgischer Marionettenstaat. Kabila war Vizepräsident der „Balubakat-Jugendbewegung“, die loyal zur ersten kongolesischen Zentralregierung unter Patrice Lumumba stand und Jugendliche des Luba-Volkes in Katanga gegen Tschombé vereinte.
Das jetzt vorgelegte „Weißbuch“ beschreibt detailliert Foltermethoden der Kabila-Soldaten in den damaligen Wirren: Ihre Lieblingswaffe sei der muyololo gewesen, ein Stock, an dem Fahrradketten mit messerscharf zugespitzten Metallspitzen hingen. Damit hätten sie ihre Opfer geschlagen und ihnen auch zuweilen die Geschlechtsteile herausgerissen. Kabila, der heute wieder Milizen in den Kampf gegen die Rebellen im Kongo schickt, „hat Erfahrung mit dieser Art von kriminellen Organisationen“, so Kimba, Sohn von Tschombés einstigem Außenminister.
Zwar wird Kabilas Name in dem Weißbuch nicht erwähnt. Aber die Cokatom hält das von ihr gesammelte Material für einen ausreichenden Beweis, dass „Kabila unfähig zum Regieren“ ist, wie sich Cokatom-Generalsekretär Robert Tschibob, ein ehemaliger Berater des heutigen Innenministers Kakudji, ausdrückt.
Von Bedeutung ist dies, weil als möglicher Ausweg aus der heutigen Krise immer wieder spekuliert wird, Kabila könne sich in sein heimatliches Katanga zurückziehen und die Macht im Zentralstaat anderen überlassen. Die Aktivitäten der Exilkatangesen machen deutlich, dass er in diesem Fall kein ruhiges Leben zu erwarten hätte. Das Pinochet-Syndrom verfolgt den kongolesischen Präsidenten und treibt ihn zu immer neuen Herausforderungen gegenüber dem Rest der Welt. FRANÇOIS MISSER
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