piwik no script img

Graue Anzüge, bunte Show

Auf der Telemesse in Düsseldorf legte sich die Branche mächtig ins Zeug. Das ZDF kredenzte „klare Känguruschwanzsuppe“, bei Kabel 1 gab’s Sparschweinchen – ohne Inhalt, wie die gesamte Messe

aus Düsseldorf STEFFEN GRIMBERG

Telemesse. Düsseldorf. Zwei Tage Fernsehen am Stück. Quiekende Mediaplaner im Kampf um die besten Give-aways, und alljährlich die Frage der Fragen: Welcher Sender verschenkt die hässlichste Tasche?

Sat.1 ist vollsynthetisch immer ganz vorn dabei, beim ZDF gibts Rucksäckchen mit Handytasche und Mainzelnmann. Vox verteilt Markenprodukte und Onyx an die Schulzeit gemahnende Plastikkoffer. Beim Marktführer dagegen kommt alles in eine schlichte Papiertüte, auf der nocht nicht mal RTL draufsteht, sondern nur der Name der Großagentur IP, die für die gesamte Senderfamilie die Werbezeiten verkauft. Pro7 und Kabel 1 setzen ebenfalls unbeirrt auf Zellstoff. Das macht zwar nicht soviel her, bietet aber mehr Platz fürs Senderlogo. Und was da alles reingeht! Mittelgroße Sparschweine zum Beispiel, die für die jüngste Kabel-1-Wiederauferstehung „Was bin ich?“ gute Laune verbreiten sollen.

Teure Image-Pflege

Gespart wird bei der Telemesse nämlich längst nicht mehr. Noch 1998 hieß es stolz, die zwei bunten Tage am Rhein kosteten die Sender deutlich weniger als die bis 1995 üblichen Einzelpräsentationen. Doch dann wurden aus den Programm-Screenings reine Imageshows, und in diesem Jahr ließ sich allein die RTL-Familie den Spaß angeblich stolze 20 Millionen Mark kosten. Die seriösen Damen und Herren von IP reden ungern über derartige Summen, auch der Konkurrenz von der Mediagruppe München – sie vermarktet Pro 7 und Kabel 1 – ist nur ein „immenser Aufwand“ zu entlocken. Der, sagt MGM-Geschäftsführer Peter Christmann, lohne sich aber.

Genau wie die nach monatelangem Tauziehen dann doch beschlossene Fusion seines Unternehmens mit Media 1, der bisher vor allem für Sat.1 zuständigen anderen Vermarktungsagentur der Kirch-Gruppe. In diesem Jahr sind beide noch getrennt aufgelaufen, aber ein symbolischer Verbindungsweg zwischen den Ständen sorgte schon mal für einen Brückenschlag in Blau. Auch sonst machte man schon ganz brav auf Programmfamilie, bei Pro 7 sogar noch ein bisschen mehr als bei Sat.1. Dafür gibt’s beim „Vollprogramm für die ganze Familie“ endlich mal wieder einen neuen Slogan. „Sat.1 – ja!“ heißt es jetzt. Das ist schlicht, aber keineswegs schön.

Von ergreifender Schlichtheit sind auch die Auftritte der Sendergewaltigen selbst. Die hollywoodeske Anmoderation aus dem Off kann nicht verbergen, dass im jetzt befriedeten deutschen Fernsehmarkt die Verwalter das Sagen haben: Graue Anzüge von Urs Rohner (Pro 7) bis zu Gerhard Zeiler (RTL), nur noch Sat.1-Chef Fred Kogel hat so etwas wie Charisma und wirkt bei seiner letzten Telemesse richtig gelöst. Für Kogels jetzigen Vize und designierten Nachfolger Martin Hofmann war nur ein Kurzauftritt drin, dann kam endlich Harald Schmidt.

Bei Pro 7 löste Stefan Raab ab, der vor lauter Geschwisterliebe gleich auf Sat.1 einschlug: Schließlich, so Raab, sei die Senderfamilie so was wie die Wiedervereinigung und Sat.1 die DDR. Fernsehen in voller Länge gibt’s bei der Telemesse schon längst nicht mehr. Dafür wird getrailert was das Zeug hält. Spektakuläres ist nicht auszumachen. An Reality-Soaps als neuer Heilsbringer für die Zielgruppe wird nach dem Erfolg von „Big Brother“ zwar kräftig weitergeglaubt. Aber über schon längst bekannte Pläne vom Abnehmdrama „Big Diet“ (Sat.1) oder verschiedene großbrüderliche Promi-Varianten (RTL) ging’s nicht hinaus. „Big Brother“-Erfinder John de Mol sagte lediglich per Video-Einspieler seinen neusten RTL-Schocker an: „Der Frisör“ – mit Mikros und Kameras bis in die letzte Haarwurzel.

Im Westen nichts Neues

Und RTL 2? Der „BB-Muttersender“ zeigte – gar nichts. Irgendwie sei man noch nicht so weit, wurde wenig überzeugend abgewiegelt. Auch tm 3, jetzt im Alleinbesitz von Rupert Murdoch und offenbar mit allen möglichen Planspielen in Richtung Kirch-Gruppe beschäftigt, sagte sein zunächst angekündigtes Screening kurzfristig ab. Und dann ist da ja auch noch Vox, das immer noch unklar positionierte jüngste Kind der RTL-Familie. Senderchefin Anke Schäferkordt tanzte den „Ally McBeal“ und machte so unmissverständlich klar, wohin die rote Kugel rollt. Ansonsten sind Wiederholungen ihr Schicksal: erfolgreiche RTL-Ware wie „Cleopatra“ und „Merlin“, und natürlich läuft „Titanic“ auch bei Vox. Nur eben nicht mehr wie 1999 angekündigt als Free-TV-Premiere. Das übernimmt jetzt RTL.

Die öffentlich-rechtlichen Sender spielten auf der Telemesse eher am Rande mit. Sie präsentierten nämlich nur ihr vorabendliches Werberahmenprogramm, auch wenn sich das ZDF nicht verkneifen konnte, mit stolzgeschwellter Brust in jedem unpassenden Moment „Olympia 2000“ in den Mund zu nehmen. Die Olympischen Spiele laufen zwar nicht am Vorabend, aber eben öffentlich-rechtlich. Damit das auch jeder merkte, wurde am ZDF-Stand „klare Känguruschwanzsuppe mit olympischen Ringen“ serviert. Und die Kabel-1-Schweinchen, die so hässlich waren, dass sie alle Besucher noch während der Messe verklappten, schauten neidisch zu.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen