: Atom-Export für den Weltfrieden
Endlich soll die Hanauer Brennelemente-Fabrik dem Siemens-Konzern Geld einbringen. Die 1,1 Milliarden Mark teure Anlage ging nie in Betrieb
aus Frankfurt KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
Noch ein paar Millionen Mark einstreichen können – oder noch draufzahlen müssen: das sind die Alternativen für Siemens in Sachen Abriss und Verschrottung der Mischoxid-Brennelementefabrik neu (MOX) in Hanau.
In der Konzernzentrale in München und in der „Filiale Rückbauprojekte“ in Hanau sind sich alle einig. Natürlich will Siemens wenigstens einen Bruchteil der 1,1 Milliarden Mark zurück, die der Konzern Anfang der Neunzigerjahre in den Bau der neuen Anlage zum Zusammenbau von Brennelementen aus Uran und Plutonium investierte. Schließlich ging das Werk aus politischen und ökonomischen Gründen nie in Betrieb.
Die MOX-Fabrik neu sollte der Atom- und Plutoniumwirtschaft auch nach der Schließung der MOX-Anlage alt (ehemals Alkem) die Weiterverarbeitung der in La Hague oder Sellafield wiederaufbereiteten Plutoniumkontingente auf deutschem Boden garantieren. Doch das war politisch dann nicht mehr durchsetzbar. Nachdem der hessische Umweltminister Joschka Fischer der MOX-Anlage alt schon 1991 – nach einer Störfallserie – das Betriebslicht ausknipste, blockte der Grüne umgehend und erfolgreich auch alle Betriebsgenehmigungsanträge für die MOX-Anlage neu ab.
Bis 1995 dauerte der permanente Schlagabtausch der rot-grünen hessischen Landesregierung (Atomgenehmigungsbehörde) mit der schwarz-gelben Bundesregierung (Atomaufsicht); und am Ende war Landesumweltminister Joschka Fischer Sieger nach Punkten gegen Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU).
Siemens gab entnervt auf und zog alle Genehmigungsanträge zurück. Denn auch die deutschen Energieversorgungsunternehmen (EVU), die mit einem Anteil von 50 Prozent den Bau der neuen MOX-Fabrik mit finanziert hatten, waren aus ökonomischen Gründen aus dem Projekt ausgestiegen. Die Elektrizitätswirtschaft wollte nicht noch vielleicht weitere fünf Jahre auf eine Betriebsgenehmigung warten. Ohnehin votierte aktuell eine satte Mehrheit der Bevölkerung für den Atomausstieg. Die Energieversorgungsunternehmen jedenfalls seilten sich ab. Ab sofort musste Siemens den Unterhalt der „jungfräulichen“ Fabrik, in der nie auch nur ein einziger Brennstab produziert wurde, allein finanzieren.
Entsprechend sauer war und ist man bei Siemens auf einen Politiker wie Joschka Fischer im Besonderen, und auf Grüne und Sozialdemokraten im Allgemeinen. Doch Ironie des Schicksals: Ausgerechnet Joschka Fischer als Bundesaußenminister hat es jetzt (mit) in der Hand, der Firma Siemens eine Ausfuhrgenehmigung für die MOX-Fabrik neu zu erteilen und so ein paar Millionen in die Kasse von Siemens zurückfließen zu lassen.
Einen „friedenspolitischen Akt“ nannte der Projektleiter „Rückbau“ von Siemens in Hanau, Helmuth Rupar, die Demontage der MOX-Anlage in Hanau und deren Wiederaufbau in Russland schon im März 2000 in einem Gespräch mit der taz. Wer könne schon etwas gegen die „Vernichtung“ von russischem Waffenplutonium in einer sicheren deutschen Atomfabrik haben? Von der Bundesregierung verlangte Rupar eine Entscheidung „noch in diesem Sommer“. Der geht jetzt zu Ende. Ein entsprechender Antrag auf Exportgenehmigung liegt beim Bundesausfuhramt vor. Die Bundesregierung, also auch das Auswärtige Amt, muss ihn bescheiden.
Bei Siemens ist man sich sicher: Die MOX-Farbrik von Hanau wird bald im russischen Atomkomplex Majak im Ural stehen. Und die Experten von Siemens werden dort zusammen mit Russen MOX-Brennelemente herstellen. Ein Angebot von Siemens für den Weltfrieden. Und ganz sicher auch für die Bestückung von russischen und anderen Atomkraftwerken mit plutoniumhaltigem Brennstoff – auf Jahre hinaus.
US-russischer Bericht von 1997: www.fas.org/rlg/060197usru.htm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen