: Moskau ohne Glotze
Der Brand des Fernsehturms der russischen Hauptstadt ist weitgehend gelöscht. Putin macht die marode Wirtschaft für das Feuer verantwortlich
aus Moskau KLAUS-HELGE DONATH
Rund 24 Stunden nach dem Ausbruch eines Brands im Moskauer Fernsehturm „Ostankino“ ist das Feuer weitgehend gelöscht. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte gestern Nachmittag, im Turm gebe es nur noch Glutherde. Noch ist die Brandursache nicht geklärt. Experten vermuten indessen, das Feuer sei durch einen Kurzschluss im Kabelwerk des Antennentrakts im oberen Teil des Sendeturms ausgelöst worden.
Obwohl aus allen Teilen der Hauptstadt Feuerwehren zusammengezogen wurden, gelang es zunächst nicht, das Feuer zu löschen. Gegen Mittag hatte sich der Brand bis auf 60 Meter nach unten gefressen. In 47 Meter Höhe setzte die Feuerwehr daraufhin einen Spezialschaum ein und kappte das Kabelwerk, um ein weiteres Vordringen des Feuers zu verhindern.
Die Katastrophe scheint die traurigen Erfahrungen, die bei der Havarie des U-Boots „Kursk“ gemacht wurden, zu wiederholen. Informationen aus offiziellen Quellen sind widersprüchlich und werden höchst selektiv gehandhabt.
Voraussichtlich sind den Flammen vier Menschen zum Opfer gefallen. Bei Ausbruch des Feuers sollen sie in einem der sieben Fahrstühle im Schacht des 537 Meter hohen Turms stecken geblieben sein. Während das Katastrophenschutzministerium vorgibt, die Statik des Fernsehturms sei vom Brand nicht bedroht, warnen unabhängige Experten, das Moskauer Wahrzeichen könne in sich zusammenbrechen.
In Moskau und Umgebung sind alle Fernsehprogramme und einige Radiostationen ausgefallen. Die staatlichen Sender und der private Kanal NTW senden inzwischen Notprogramme über das Kabelnetz, dem aber nur die wenigsten Moskauer angeschlossen sind. Auch elf Radiostationen verschwanden aus dem Äther.
Anders als im Fall der „Kursk“ reagierte Präsident Wladimir Putin diesmal sofort und präsentierte sich als entschlossener Politiker, so wie ihn die Russen gerne hätten. Allerdings verzichtete Putin dabei auf die breite Unterstützung der Medien, deren Macht ihn mit in den Kreml befördert hatte. Der Kabelbrand hat sie nun vorübergehend entmachtet.
Putin nannte unterdessen die Dinge beim Namen: „Der wiederholte Ernstfall zeigt, in welchem Zustand sich bei uns lebenswichtige Einrichtungen und das ganze Land befinden.“ Landesweite Misswirtschaft habe die technischen Errungenschaften, auf die die Sowjetunion einmal stolz war, inzwischen in lebensbedrohliche Faktoren verwandelt. Um ähnliche Katastrophen zu vermeiden, so Putin, müsse die wirtschaftliche Genesung des Landes endlich vorangetrieben werden. Die Einsicht ist nicht neu, der Handlungsbedarf wird unterdessen mit jedem Tag dringlicher.
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