: Union fürchtet „Kampagne gegen Konservative“
Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) erhält für seine Kritik an der Debatte über rechte Gewalt Zuspruch aus Berlin und Schwerin
BERLIN taz ■ Vier Wochen lang diskutierte die Republik Strategien gegen Gewalt von rechts – jetzt fordern immer mehr CDU-Politiker ein Ende der Debatte. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), der am Wochenende zu „einer gewissen Gelassenheit“ im Umgang mit dem „Phänomen Rechtsradikale“ geraten hatte, bekam gestern Zuspruch aus Berlin und Schwerin. In der Hauptstadt warnte der örtliche CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky, aus der „berechtigten Kampagne gegen Gewalttäter“ drohe eine „Kampagne gegen Konservative“ zu werden. Die Schweriner CDU-Landeschefin Steffie Schnoor bekundete, sie finde die Äußerungen Kochs „nicht falsch“. Es bestehe die Gefahr, „den Rechtsextremen eine Bedeutung zuzuschreiben, die sie nicht haben“.
Koch forderte von seiner Partei eine Rückbesinnung auf ihre Funktion, die demokratisch gesinnte konservative Rechte „zur Mitte hin zu integrieren“. Eine Partei, die 40 plus x Prozent erringen wolle, dürfe nach rechts nichts ausfransen lassen: „Wir müssen die Leute, die sich rechts im demokratischen Spektrum befinden, fest an uns binden, die dürfen wir auch nicht irritieren, sonst wandern sie vielleicht zu undemokratischen Parteien ab.“ Beispielsweise dürfe „das Streben nach nationaler Identität nicht verteufelt werden“.
Diese Kunst hat Landowsky, der auf die Koch-Äußerungen gestern nicht direkt Bezug nahm, in Berlin längst zur Perfektion getrieben. Einerseits bekannte sich der CDU-Stratege – anders als Koch – stets zu großstädtischer Liberalität. Andererseits sorgte er dafür, dass die Union auch für Wähler vom rechten Rand attraktiv blieb. Politiker wie der frühere Innensenator Heinrich Lummer wurden so zu Aushängeschildern der CDU. Bisweilen ging auch Landowsky selbst rhetorisch in die Vollen, wenn er etwa vor dem „Abschaum“ warnte, der aus China oder Russland in die Stadt dränge. Das Wahlergebnis von 1989, als die „Republikaner“ ins Abgeordnetenhaus einzogen und die CDU auf den Oppositionsbänken Platz nehmen musste, sollte sich nicht wiederholen.
Während sich die Berliner Union immerhin an einem Runden Tisch gegen den Rechtsextremismus beteiligen will, lehnte Schnoor die Beteiligung an einem „Bündnis gegen rechts“ in Mecklenburg-Vorpommern ab. Zur Begründung sagte sie, der Begriff „rechts“ sei unscharf. Zudem könne sich ein Bündnis nicht gegen eine Gesinnung richten, sondern nur gegen Gewalt.
Auch Landowsky betonte, der Kampf gegen Gewalt sei „eigentlich richtungsfrei“. Er räumte allerdings ein, die rechte Gewalt stelle – „neben dem Islamterrorismus“ – heute „wirklich eine ernsthafte Bedrohung“ dar: „Sie ist brutaler, auch im Vergleich zu den Chaos-Tagen in Hannover.“ Die Kritik der bündnisgrünen Fraktionschefin Kerstin Müller am „Rassismus der Mitte“ bezeichnete Landowsky als „dümmste Antwort“ auf das Problem. Kein Wunder – der CDU-Politiker stellt lieber einen anderen Aspekt in den Mittelpunkt seiner Strategie: „Ich möchte nicht, dass der rechtsradikale Schrott in den Parlamenten sitzt.“ RALPH BOLLMANN
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