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Fischer verweigert Hilfe beim Export von Hanau

Keine Hermesbürgschaften für Demontage und Aufbau der Mox-Anlage von Siemens. Konzern hofft auf andere Finanziers

FRANKFURT taz ■ „Keine Hermes-Bürgschaft für Siemens.“ Das ist die neue Botschaft der Bundesregierung an den Konzern. Der bietet seine Hanauer Fabrik zur Produktion von Mischoxid (Mox)-Brennelementen aus Uran und Plutonium für den Export nach Russland an. Sie soll demontiert und dort für die „Vernichtung“ von rund 34 Tonnen Waffenplutonium wiederaufgebaut werden – für 100 Millionen Mark. Dass die Bundesregierung für diese „friedenspolitische Maßnahmen“, so Siemens-Sprecher Wolfgang Breyer, finanziell nicht gerade stehen will, kratzt den Konzern wenig. Das können auch die US-Amerikaner sein oder ein internationaler Fonds, Siemens ist das „relativ egal“. Breyer legte Wert auf die Feststellung, dass nicht eine einzige Komponente in Hanau auf Lkws verladen werde, wenn nicht zuvor die entsprechenden Beschlüsse gefasst worden seien und das Finanzierungskonzept stehe.

„Wir werden nur solche Projekte finanziell unterstützen, bei denen es um die Verglasung des Waffenplutoniums und um die Endlagerung des Bombenstoffes geht“, sagte gestern eine Sprecherin im Auswärtigen Amt. Das ist eine Botschaft vor allem an die „atompolitische Opposition“ innerhalb Grünen, deren Sprecher Hartwig Berger für den Fall der Ausfuhr der deutschen Mox-Anlage nach Russland einen „Koalitionsbruch“ in Berlin nicht mehr ausschließen wollte. Die aktuelle Entwicklung ändere nichts an seiner ablehnenden Haltung, sagte Berger gestern der taz. Der Export der Anlage gefährde sehr wohl die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Das Proliferationsrisiko steige, weil das Plutonium auch aus Mox-Brennelementen wieder extrahiert werden könne. Die Mox-Brennelemente würden in den maroden russischen Atomkraftwerken zum Einsatz kommen und auch exportiert werden: möglicherweise sogar nach Deutschland. Mit der Verweigerung der Hermes-Bürgschaft für Siemens allein jedenfalls könne sich Fischer den innerparteilichen Frieden in dieser Sache nicht erkaufen, so Berger. Neun russische Umweltschutzorganisationen, darunter Greenpeace, der Bund-Naturschutz und der BBU appellierten gestern an Bundesaußenminister Fischer, den Export der Anlage zu verhindern. Das russische Plutonium müsse sofort unter internationale Kontrolle gestellt werden.

Für die renommierte Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) ist der Export der Mox-Anlage zwar „auch nicht der Königsweg“. „Aber es gibt dazu keine realistische Alternative“, sagte eine Abrüstungsexpertin der HSFK im Hessischen Rundfunk. Die Russen wollten nämlich nicht verglasen – und nicht endlagern. Das sieht auch der energiepolitische Sprecher der Grünen im Hessischen Landtag, Alexander Müller, so. Man müsse in den sauren Apfel beißen; aus friedenspolitischen Erwägungen heraus. Dann wird Müller sarkastisch: „Hätten wir damals die Inbetriebnahme der Anlage in Hanau nicht verhindert, wäre die heute so verstrahlt, dass sie nicht einmal mehr die Russen haben wollten.“

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

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