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„Die Widerstände waren zu groß“

Warum dürfen Lesben keine Kinder adoptieren? Irmingard Schewe-Gerigk zur grünen Homo-Politik

taz: Auf Ihrer Fachtagung zur Lesbenpolitik der Grünen am Donnerstag in Berlin wurde Kritik an der Eingetragenen Partnerschaft laut. Müssen Lesben, die die rechtlichen Vorteile der Partnerschaft anstreben, sich nun tatsächlich zwangsouten?

Schewe-Gerigk: Nein, Migrantinnen, zum Beispiel, müssen aufgrund ihres kulturellen Hintergrunds anonym bleiben können. Das wäre möglich, indem man in die Formulare „Ehe/Eingetragene Partnerschaft“ – mit Schrägstrich – druckt, so dass nicht ersichtlich ist, welche Form der Partnerschaft es ist.

Etwa ein Drittel der Lesben sind Mütter. Für die wird sich nichts ändern: Die Partnerin kann das Kind nicht adoptieren.

Die Widerstände in der SPD waren zu groß. Zudem gibt es immer noch den Mythos von der ansteckenden Homosexualität, die sich nun von Eltern auf Kinder übertragen soll. Dabei gibt es Studien, die nachweisen, dass das Unsinn ist.

Für Homosexuelle ist nichts gewonnen, wenn die Politik sich darin erschöpft, dass einige von ihnen, die in einer festen Partnerschaft leben, Zugang zu dem altertümlichen Privileg der Ehe bekommen, kritisieren vor allem die Feministinnen.

Darum brauchen wir zusätzlich ein Antidiskriminierungsgesetz, als Signal, dass nicht toleriert werden kann, Minderheiten zu diskriminieren. Den Paragraphen 611a im BGB, der die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts betrifft, wollen wir um die sexuelle Orientierung, Behinderungen und ethnische Herkunft erweitern.

Warum reicht der Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz nicht aus?

Weil es immer noch Fälle gibt wie das Verweigern des Sorgerechts einer lesbischen Mutter, die nach der Scheidung mit einer neuen Partnerin lebt. Die Rechtsprechung ist in diesen Fällen so konservativ, dass man eindeutig werden muss.

Aber in der Realität klagen die Diskriminierten dann meist doch nicht: Es gibt ein Antidiskriminierungsgesetz für Frauen, aber wer verklagt schon seinen Arbeitgeber?

Deshalb brauchen wir ein Verbandsklagerecht: Dann könnte im Fall einer Lesbe zum Beispiel der Lesben- und Schwulenverband klagen.

Die Diskriminierung nachzuweisen ist im Einzelfall nicht ganz einfach. Das sieht man ebenfalls bei Klagen von Frauen gegen Arbeitgeber: Dann hat im Zweifelsfall eben die Qualifikation nicht gestimmt.

Darum muss die Beweislast erleichtert werden: Der Arbeitgeber muss beweisen, dass er nicht diskriminiert hat.

Wie stehen die Chancen für das Gesetz?

Das Verbandsklagerecht haben wir schon im Umweltbereich. Ich sehe gute Möglichkeiten, dass wir das auch für andere Bereiche schaffen. Die SPD ist mit im Boot. Allerdings müssen wir erst die Eingetragene Partnerschaft durchs Parlament bringen. Alles auf einmal geht nicht.

INTERVIEW: HEIDE OESTREICH

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