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Die Heimat gibt’s im Einweckglas

Die Heimat gibt es in Konfitürengläsern, versehen mit den Wappen der schlesischen und sudetendeutschen Landsmannschaften. „Heimaterde-Express – Heim ins Reich“, steht auf dem kleinen Handkarren, den ein Mann durch den Regen zieht. „Wer Heimaterde will, kann sie hier in 18 Geschmacksrichtungen abholen“, schallt es aus den Lautsprechern. Gegenüber, im Schauspielhaus, feiert der Bund der Vertrieben (BdV), an diesem Sonntag den 50. Jahrestag der „Charta der Heimatvertriebenen“. Darin erklärten die Vertriebenenverbände ihren Verzicht auf „Rache und Vergeltung“.

Besonders die Teilnahme von Gerhard Schröder, der als erster deutscher Bundeskanzler auf einer zentralen Veranstaltung der Heimatvertriebenen spricht, sorgt bei den rund 80 Demonstranten für Ärger. „Erst hat Schröder starke Worte gegen Neonazis gemacht, jetzt wertet er deren Stichwortgeber durch seine Anwesenheit auf“, sagt ein Redner. Erst kürzlich habe die BdV-Präsidentin Erika Steinbach (CDU) erklärt, sie habe keine Bedenken gegen das Singen der ersten Strophe der Nationalhymne mit dem Text „Deutschland, Deutschland über alles“. Der Sprecher argumentierte, die später Vertriebenen hätten zur Legitimation der Annexionen durch das Dritte Reich beigetragen. Ihre Vertreibung sei daher kein Willkürakt, sondern eine Konsequenz der NS-Verbrechen gewesen. Der PDS-Abgeordnete Marian Krüger, der die Veranstaltung angemeldet hatte, warf den Vertriebenen eine „geistige Nähe“ zur NPD vor.

Am Vortag hatten BdV-Präsidentin Steinbach und Innensenator Eckart Werthebach Kränze vor dem Vertriebenen-Denkmal am Theodor-Heuss-Platz niedergelegt. Werthebach würdigte dabei die Rolle der Heimatvertriebenen. Diese leisteten „eine wichtige und unersetzliche Arbeit, um Identität zu finden“.

ANDREAS SPANNBAUER

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