: Grüne Wahlverlierer sehr begehrt
Bei der ersten Runde der Kölner OB-Wahl konnten weder CDU-Mann Fritz Schramma noch SPD-Frau Anke Brunn die Mehrheit erringen. Vor der Stichwahl buhlen beide um die wenigen Anhänger der grünen Kandidatin – und um die vielen Nichtwähler
aus Köln PASCAL BEUCKER
Das letzte Kölsch-Fass ist längst geleert und die Reihen auf der grünen Wahlparty haben sich bereits merklich gelichtet, da kommt noch einmal Leben auf in der Kantine des Kölner Rathauses. Ungläubig blickt das Häuflein der verbliebenen grünen Aktivisten auf die Eingangstür. Denn da marschiert unerwartet CDU-Oberbürgermeisterkandidat Fritz Schramma ein.
Äußerst herzlich begrüßt Schramma seine grüne Gegenkandidatin Barbara Moritz. Doch viel Zeit für ein vertrauliches schwarz-grünes Gespräch bleibt ihnen nicht. Es dauert keine zehn Minuten und SPD-Kandidatin Anke Brunn betritt den Saal. Auch Brunn steuert zielsicher auf Moritz zu, schaut allerdings recht verdutzt, als sie bemerkt, dass ihr christdemokratischer Konkurrent schneller war. „So begehrt werden wir nie wieder“, kommentiert ein grüner Ratsherr die eigenartige Szene.
Dabei gehört die Grüne Moritz eigentlich – neben dem FDP-Kandidaten Ralph Sterck, der nur 2 Prozent der Stimmen erringen konnte – zu den Verlierern in der ersten Runde der Kölner Oberbürgermeisterwahl. Auf bis zu 15 Prozent hatte sie gehofft, bei 9,1 Prozent landete sie. Da jedoch weder Schramma mit seinen 47,3 Prozent noch Brunn mit ihren 38,9 Prozent die absolute Mehrheit erreichten, muss eine Stichwahl zwischen den beiden am 17. September entscheiden. Und dann könnten jene Wähler den Ausschlag geben, die am Sonntag noch grün wählten.
Doch die Grünen tun sich schwer mit einer Wahlempfehlung. Heute wollen sie auf einer Mitgliederversammlung darüber entscheiden – und werden wohl beide Parteien enttäuschen. „Fraktions- und Parteivorsitz tendieren dahin, keine Personenempfehlung abzugeben“, gibt Ratsfraktionsvize Jörg Frank die Richtung vor. Der Grund ist einfach: Gewinnt Brunn, dann ist aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Rat eine große Koalition wahrscheinlich – und die Grünen stünden außen vor. Eine Unterstützung des CDU-Kandidaten ist jedoch der grünen Wählerbasis nicht vermittelbar. Als Ausweg aus dem Dilemma plant die Partei nun für den 11. September eine Podiumsdiskussion mit Brunn und Schramma, bei der sich die Wähler eine eigene Meinung bilden sollen.
Das scheint auch bitter nötig. Denn die Mehrheit der Kölner ist bislang von keinem der Kandidaten überzeugt. Gerade mal 40,8 Prozent der Wahlberechtigten fand den Weg zur Urne. Auf die Daheimgebliebenen konzentriert Wolfgang Clement seine Hoffnungen für die Stichwahl. Seine Partei müsse „jetzt die Chance nutzen, alles zu mobilisieren, und klar machen, dass Anke Brunn das Beste für Köln will“, verkündete der sozialdemokratische NRW-Ministerpräsident am Wahlabend.
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