Kinder und der Kampf um den Arbeitsplatz

■ Und schon bist du ein Sozialfall: Mütter kleiner Kinder klagen über den Mangel an Ganztagsbetreuung und den Kampf um die leidige Kostenübernahme / Eine Gesetzesänderung soll minimale Erleichterung bringen

Als die 35-jährige Friseurmeis-terin Bettina Körner 16 Monate nach der Geburt ihres Sohnes wieder arbeiten gehen wollte, erlebte sie den Schock ihres Lebens. „Ich wurde beim Amt wie eine Bittstellerin behandelt“, berichtet sie. Weil weder sie noch ihr ebenfalls selbstständiger Ehemann die 2.300 Mark pro Monat für den Krippenplatz ihres Kindes haben, muss das Jugendamt einspringen. Bettina Körner ging zum erstem Mal im Leben zum Sozialamt. „Mehrere Male wurde ich wieder weggeschickt“, sagt sie. Erst als die AWO-Krippe in der Neustadt ihr ein Ultimatum setzte, weil der Platz nicht länger freigehalten werden konnte, drohte sie: „Mit der Senatorin, dem Anwalt und der Presse. Fünf Minuten später hatte ich die Zusage für die Kostenübernahme“, sagt sie.

Wenn es nach dem Willen der Sozialbehörde geht, wird es solche Fälle in einem Jahr vielleicht seltener geben. Vorausgesetzt, das Kind einer – zumeist allein erziehenden – Berufstätigen oder Studentin soll in eine Kinderkrippe. Deren LeiterInnen sollen über die Kostenübernahme künftig selbst entscheiden können. Das jedenfalls geht aus dem Entwurf für das „Bremische Tageseinrichtungs- und Tagespflegegesetz“ hervor.

Für alle übrigen berufstätigen Mütter – von denen die wenigsten genug verdienen, um eine Ganztagsbetreuung selbst zu bezahlen – wird der Gang zum Sozialamt weiterhin die Regel bleiben. Und mit ihr möglicherweise auch der unerfreuliche Kampf ums Geld für die Betreuung durch eine Tagesmutter (600 Mark pro Kind) oder eine Krabbelgruppe (rund 800 Mark).

„Ich höre da regelmäßig von Problemen“, bestätigt Klaus Westing von der AWO, Trägerin von 30 der insgesamt 72 bremischen Krippenplätze. „Uns sind die Gründe für eine Ablehnung oder eine Kostenübernahme oft nicht nachvollziehbar“, sagt auch Gabi Helm vom Verbund Bremer Krabbelgruppen. Nach dessen Statistik fehlen in Bremen 1.000 Krippen- oder Krabbelgruppenplätze. Die rund 1.430 vorhandenen Plätze, von denen 400 nur stundenweise Spielgruppenangebote sind, deckten bei weitem nicht den Bedarf.

Mangel bestätigt auch eine Antwort des Senats auf eine Anfrage der Grünen. Die listet die Stadtteile Obervieland, Huchting, Woltmershausen, Vahr, Osterholz, Hemelingen, Walle, Gröpelingen, Burglesum und Blumenthal als Stadtteile mit besonderen Engpässen bei Tageseinrichtungen für unter Dreijährige auf. Anja Stahmann, sozialpolitische Sprecherin der Grünen, will diese Situation heute im Jugendhilfe-Ausschuss ansprechen. „Wir müssen die Bedarfe ermitteln und die Lage verbessern“, sagt sie. Der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Drei- bis Sechsjährige dürfe nicht zu Lasten von Familien mit kleineren Kindern gehen. Die Liste der bedürftigen Stadtteile verrät ihr auch: „In manchen Stadtteilen können Eltern sich eher selbst helfen.“ Aber Krabbel-gruppen könnten keinesfalls Krippenplätze ersetzen.

Das meint auch Annette Wagner. Die 29-jährige Mutter eines 18 Monate alten Jungen will um einen Krippenplatz bei der AWO kämpfen. Ihr Problem sei typisch, sagt die Leiterin der Einrichtung, Renate Otto-Kleen. Die junge Mutter, die kurz vor der Geburt das Studium abschloss, arbeitet nur 19 Stunden. Nicht genug für einen teuren Ganztags-Krippenplatz – obwohl ihre Arbeitszeit demnächst um rund 10 Stunden aufgestockt werden soll. Bis dahin hieße es: Tagesmutter. „Aber dann stehe ich in ein paar Monaten wieder dumm da“, sagt Annette Wagner. Das sei unzumutbar, zumal Sohn Henk als Neurodermitis-Kind Sicherheiten brauche. Und sie die Arbeit. ede