: Rückkehr des Unbequemen
Der Journalist Taoufik Ben Brick kehrt nach Tunis zurück. Dort ist die kurze Schamfrist nach seinem Hungerstreik längst abgelaufen: Regimegegner werden wieder verfolgt
MADRID taz ■ Taoufik Ben Brick will es wissen. Der tunesische Journalist, der am 4. Mai nach 33 Tagen Hungerstreik gegen das autoritäre System in Tunesien seinen von der Justiz beschlagnahmten Pass zurückbekam und nach Paris ausreiste, tritt die Heimreise an.
„Außerhalb Tunesiens bin ich nicht ich selbst“, begründet der Korrespondent der französischen katholischen Tageszeitung La Croix seine Entscheidung, heute um 12.30 Uhr die Air-France-Maschine von Paris nach Tunis zu nehmen. Er will sich dauerhaft in der tunesischen Hauptstadt niederlassen. Schweigen will der 39-jährige streitbare Reporter auch künftig nicht. „Mein wichtigstes Ziel ist es, zur Einheit der tunesischen Zivilgesellschaft beizutragen und weiter zu schreiben“, erklärte Ben Brick.
Noch heute Abend will er einmal mehr die prekäre Menschenrechtslage unter dem tunesischen Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali anklagen. Ben Brick akzeptierte die Einladung verschiedener örtlicher Menschenrechtsgruppen zu einer Versammlung im Büro des Verlages Aloès, wo Ben Brick einst bis zur polizeilichen Räumung seinen Hungerstreik durchführte.
Um dieses gewagte Unternehmen – oppositionelle Versammlungen sind in Tunesien illegal – zu schützen, reisen mit Ben Brick verschiedene Persönlichkeiten an. Neben zahlreichen Europaparlamentariern – unter ihnen der Grüne Daniel Cohn-Bendit – gehören Robert Menard, Präsident von Reporter ohne Grenzen, sowie der Direktor der Internationalen Vereinigung der Ligen für Menschenrechte, Antoine Bernard, der Delegation an.
„Die Rückkehr von Ben Brick ist für uns ein wichtiger Test“, heißt es in einer Erklärung von Reporter ohne Grenzen. Die Organisation mit Hauptsitz in Paris hat die Zensur unter Tunesiens Präsident Ben Ali immer wieder als „eines der fundamentalen Elemente des Polizeistaates“ angeprangert. Die Presse des nordafrikanischen Landes ist völlig gleichgeschaltet. Die Titelblätter ziert fast immer nur einer – Präsident Ben Ali höchstpersönlich.
Nach dem Hungerstreik und der Ausreise von Ben Brick setzte das Regime die Verfolgung von Oppositionellen für einige Zeit aus. Doch die Schamfrist ist längst vorbei. Laut einheimischen und internationalen Menschenrechtsorganisationen werden wieder Telefone abgehört und Regimegegner auf offener Straße eingeschüchtert.
Gegen mehrere Oppositionsführer laufen derzeit Prozesse.
REINER WANDLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen