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Diepgens Gnade findet Beifall

Entscheidung für Begnadigung der früheren Politbüro-Mitglieder Schabowski und Kleiber. Krenz bleibt drin

Es gibt kaum Ereignisse, mit denen der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, über seine Stadtgrenzen hinaus seit dem Umzug der Bundesregierung noch Aufmerksamkeit erregt.

Am Mittwoch allerdings wurde der Bedeutungsverlust für einen Augenblick aufgehoben, als Diepgen überraschand verkündete, den 71-jährigen Günter Schabowski und den 69-jährigen Günther Kleiber zu begnadigen. Die beiden früheren Politbüromitglieder werden damit am 2. Oktober, nach rund neunmonatiger Haft, auf freiem Fuß sein.

Beide waren 1997 vom Berliner Landgericht zu jeweils drei Jahren Haft verurteilt worden, die sie, wie der zu sechseinhalb Jahren verurteilte Egon Krenz, seit Anfang des Jahres im offenen Vollzug verbrachten.

Der Entschluss Diepgens traf größtenteils auf Zustimmung. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) nannte ihn einen Beitrag für den friedlichen Umgang der Deutschen miteinander, der Beauftragte für die Stasi-Unterlagen, Joachim Gauck, nahm die Begnadigung mit „Freude zur Kenntnis“ und selbst der für seinen Rigorismus gefürchtete frühere Bürgerrechtler Arnold Vaatz (CDU) freute sich. Im Gegensatz zu anderen Spitzen der DDR habe sich Schabowski klar und deutlich vom früheren Regime distanziert und das Unrecht in der DDR nicht geleugnet. Diepgen selbst begründete seine Entscheidung, die zuvor vom Gnadenauschuss des Parlaments gebilligt worden war, mit den anstehenden Zehnjahresfeiern zur deutschen Einheit am 3. Oktober. Er habe ein Zeichen setzen wollen, zumal beide Verurteilten sich von ihren Taten abgewandt und Fehler eingestanden hätten.

Neben den beiden früheren SED-Größen begnadigte Diepgen, der auch für das Justizressort zuständig ist, auch den schwerkranken Bernhard Geier. Dieser war früher Kommandeur der DDR-Grenztruppen im Bereich Berlin und wurde 1999 wegen Totschlags in drei Fällen zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Wegen seines labilen Gesundheitszustandes war der Haftantritt des 73-Jährigen ohnehin ausgesetzt worden. Bereits Anfang des Jahres hatte der Berliner Senat einen Kollegen Geiers, den Grenztruppenkommandeur Klaus-Dieter Baumgarten, begnadigt.

Weiterhin in der Haftanstalt Berlin-Plötzensee einsitzen wird hingegen Egon Krenz. Im Gegensatz zu Kleiber, der sein Gnadengesuch selbst stellte (für Schabowski tat dies unter anderem ein Hamburger Bürger), verbittet sich Krenz bis heute einen solchen Ausweg. Bis heute hält er das gegen ihn ergangene Urteil für einen Ausdruck der „Siegerjustiz“. Dagegen hatte Schabowski sich wiederholt mit seiner Rolle im SED-Staat auseinander gesetzt. Kleiber, ein eher wortkarger Ingenieur, sprach bereits im Prozess 1997 von einem fairen Verfahren und schuf damit Distanz zu Krenz.

Krenz, der langjährige FDJ-Vorsitzende, der im Herbst 1989 im Politbüro die Nachfolge Erich Honeckers an der Spitze der SED und der DDR antrat, will durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes auf freien Fuß gesetzt werden. Dort harrt seit geraumer Zeit sein Antrag. Derzeit widmet sich der 63-Jährige seiner neuen Aufgabe: Zwölf Stunden darf er wochentags das Gefängnis verlassen. In diesen Stunden arbeitet er als Kontaktmann einer auf Orthopädie- und Sanitätsartikel spezialisierten Firma aus Westdeutschland.

SEVERIN WEILAND

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