Velos zu Wohnwagen

Das klassische Lastenrad gibt es jetzt auch als Kiosk, Cocktailbar und Eisdiele. Die Gefährte sindvoll öko: Sie fahren abgasfrei, das elektrische Equipment wird mit Solarzellen betrieben

von CHRISTA STORM

Augen auf im Staßenverkehr! Was uns jetzt auf den Radwegen begegnen könnte, sind echte Zwittergestalten: Kühlschrank auf Rollen? Dreirad mit eingebautem Eisfach? Solarbetriebener Wohnwagen? Das clevere Gefährt trägt den schwungvollen Namen „Enercity Icy Rider“, und jeder mit Konstruktionstalent auf Ikea-Niveau kann es mit ein paar geschickten Handgriffen zur Caipirinha-Bar, zum Kiosk, zum mobilen Eisparadies oder sogar zum Internet-Café umbauen.

Nur der Preis des coolen Dreirads mit eingebautem solarbetriebenen Kühlschrank ist nicht unbedingt kühl kalkuliert – 30.000 Mark kostet der Prototyp der Berliner Energiepioniere vom Solarcafé. Für 500 Mark am Tag kann man den „Icy Rider“ auch mieten: für das Picknick im Tiergarten vielleicht ein bisschen teuer, für Firmen, die das Dreirad zu Werbezwecken nutzen, locker finanzierbar.

„Zwanzig Leute haben rund ein halbes Jahr an dem Vehikel gebastelt“, sagt Sepp Fiedler, der neben solch extravaganten Prototypen auch solarbetriebene Milchaufschäumer und Rasenmäher verkauft. „In Serie gehen könnten wir nur in Taiwan.“ In Berlin sei die Produktion viel zu teuer.

Fiedlers erster Kunde waren die Stadtwerke Hannover, die sich mit dem Kombifahrrad zur Zeit auf der Weltausstellung präsentieren. Dort habe der „Icy Rider“ bereits eine große Fangemeinde – wahrscheinlich nicht zuletzt, weil das Ding, das auch im Expo-Kinderbereich eingesetzt wird, voller Schokoladen- und Vanilleeis ist. Man könne mit dem schick designten Lastenrad zwar keine Rennen fahren, erklärt Fiedler, der „Icy Rider“ liege jedoch gut auf der Straße.

Kein Wunder – das Dreirad ist gut gefedert, mit Kettenschaltung ausgerüstet und wird von einem Differentialgetriebe angetrieben. Den gefederten Ledersattel kann der Eisverkäufer mit einem schnellen Dreh zur Stehhilfe umklappen. Und der besondere Clou: Der Solargenerator sorgt nicht nur für die umweltfreundliche Energiezufuhr, sondern schützt den Caipirinhamixer vor Wind und Wetter.

Aber Obacht – auch die Aluminium- und Edelstahlkonstruktion fährt sich am besten mit null Promille. Im Notfall ist der „Icy Rider“ immer noch einfach zu schieben.

Alttagstauglicher und richtig praktisch dagegen sind die Lastenräder der Berliner „Pedalpower“-Konstrukteure. Michael Schönstedt, der sowohl die Lichtenberger als auch die Kreuzberger Filiale des Fahrradladens betreut, weiß um die Notwendigkeit solcher mit Muskelkraft angetriebenen Mini-Schwertransporte.

Ob für die Anlieferung von Waren in der Fußgängerzone, den firmeninternen Transport oder einfach, um eine Horde Kinder zur Kita zu bringen – das „Berliner Lastenrad“, so heißt das von Schönstedt und Kollegen entwickelte Gefährt, trägt in Ausnahmefällen bis zu 250 Kilogramm Gewicht.

Um ein Lastenrad ordnungsgemäß zu lenken, müsse man gar nicht außergewöhnlich stark sein, meint der „Pedalpower“-Mann, der die Räder seit sechs Wochen in Berlin verkauft. „Fünf Minuten üben, und dann fährt es sich wie von selbst.“ Das Lastenrad liege leicht, stabil und steif im Straßenverkehr. Die „Light“-Version des Dreirades, das seine Last vorne trägt, ist bereits ab 2.499 Mark erhältlich und passt bequem durch jede Berliner Haustür und auf den Fahrradweg – so vorhanden.

Schönstedt hat bis jetzt acht seiner selbst gebauten Räder verkauft, unter anderem an einen Bioladen, der jetzt seine Kunden mit dem Schwertransport die Salatköpfe ins Haus bringt. Für das Rad, das auch mit Sieben-Gang-Nabenschaltung zu haben ist, hat „Pedalpower“ viele Extras im Angebot: Verdeck, Kindersitzbank, Sicherheitsgurte und auch einen Kühlschrank mit Solarantrieb.

Gerade zurück von der „Eurobike 2000“, der Ludwigshafener Fahrradmesse, ist Michael Schönstedt mehr noch als auf den Erfolg seiner Lastenräder stolz auf seine Renn-Tandems. Denn mit einem dieser neumodischen Leichtfahrzeuge wird das deutsche Damenrennradteam in Sydney unterwegs sein. Mit der Mountainbike-Europameisterin Eva Fünfgeld als Pilotin wird die blinde Berlinerin Michaela Fuchs bei den Paralympics 2000 für Deutschland strampeln.

Weitere Informationen im Internet sind unter folgenden Adressen zu finden: www.solar-lifestyle.de; www.berliner-lastenrad.de