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Bull für kleinen Mann

■ Rechtsprofessor und Ex-Innenminister: Demokratie muss Neonazi-Demos dulden

In einer Demokratie müssen nach Ansicht des Hamburger Professors für Öffentliches Recht, Hans Peter Bull, auch Aufmärsche von Neonazis geduldet werden, so- weit sie nicht gegen das Versammlungsgesetz verstoßen. „Die Meinungsfreiheit gebietet, dass der Staat nicht zwischen 'guten' und 'bösen' Meinungen oder zwischen 'rechten' und 'linken' Positionen unterscheidet“, sagte der 63-jährige Jurist in einem Gespräch mit der dpa. In einer Demokratie sei auch die Meinung von Gegnern des Rechtsstaates geschützt.

Bull, von 1978 bis 1983 erster Datenschutzbeauftragter der Bundesregierung und von 1988 an sieben Jahre lang SPD-Innenminister in Schleswig-Holstein, hat im Auftrag der Hamburger Innenbehörde das Rechtsgutachten „Grenzen des grundrechtlichen Schutzes für rechtsextremistische Demonstrationen“ erarbeitet. Darin heißt es unter anderem: „Auch rechtsstaatlich denkende Personen (...) sind gelegentlich geneigt, die Freiheitsrechte von Rechtsextremisten geringer zu gewichten als die anderer. Für Ordnungsbehörden und Vollzugspolizei ist das keine rechtmäßige Leitlinie.“ Dies dem Bürger zu verdeutlichen, sei eine Aufgabe politischer Bildung, meinte Bull.

Besonders bei Protesten gegen Medien muss „der kleine Mann unabhängig von seiner Gesinnung die Möglichkeit haben, in die Öffentlichkeit zu gehen“, betonte Bull. Würde heute im Kampf gegen Neonazis einseitig eine Meinung verboten werden, könnte morgen bei einer anderen politischen Mehrheit auch eine linke Kundgebung verhindert werden. „Dann hätten wir keine Demokratie mehr“, warnte Bull.

Zu einem möglichen Verbot rechtsextremistischer Organisationen meinte der Professor: „Wenn die Verfassung ein solches Instrument vorsieht, sollte man es auch nutzen.“ Ein Verbot würde das Problem Rechtsextremismus nicht beseitigen, es könne aber ein Beitrag sein, „die Wehrhaftigkeit der Demokratie gegen ihre Feinde zu stärken“. dpa

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