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Zusammenraufen für den Haufen

Linke Antje Radcke, Realo Kurt Edler: GAL wählt neue Spitze. Junge müssen noch mal draußen bleiben. Scharfe Kritik von Leites  ■ Von Peter Ahrens

„Wir sind in der großen Gefahr, zu einem Haufen korrumpierbarer KarrieristInnen zu werden.“: Das ist der Zustand der Hamburger Grünen aus Sicht ihrer scheidenden Parteichefin. Kordula Leites mahnte am Sonnabend bei der Mitgliederversammlung (MV) der GAL zum Abschied, dass „innerparteiliche Demokratie in der GAL zu skrupelloser Intrige verkommt“. Der Kontakt zur Bevölkerung sei abgerissen, es gebe nur noch „inhaltlosen Machtkampf“. Sie warnt: „Ein Endsieg der Realos über die Linken würde das Ende der Partei sein.“ Zu diesem Sieg ist es – was die Besetzung der Parteiführung anbetrifft – am Sonnabend noch nicht gekommen: Neben Realo Kurt Edler ist mit Antje Radcke auch ein linkes Gegengewicht an der Spitze des neuen Landesvorstandes vertreten.

Fast alle hatten damit gerechnet, dass die Junggrüne Heike Opitz den Sprung in die Parteiführung schafft – vor allem nachdem sie im ersten Wahlgang, der aufgrund des Stimmkartenchaos wiederholt werden musste (siehe Bericht S. 6), vorn lag. Die 25-Jährige wucherte auch am Sonnabend mit dem Pfund der Jugend. Die Flügel müssten aus der Partei verschwinden, die Jüngeren könnten nichts mehr mit ihnen anfangen, betonte sie. Am meisten applaudierten da die, die Jo Müller, vierter Kandidat, anschließend „den Jugend-Flügel“ nannte.

Bei der Vorstellungsrunde vor den Wahlgängen hatten Opitz und Edler eindeutig den lautstärksten Beifall bekommen – und GAL-Frontfrau Krista Sager konnte sich noch sicher sein, ihre WunschkandidatInnen Opitz und Edler, die demonstrativ links und rechts von ihr Platz genommen hatten, durchzubekommen. Als denn doch Radcke gewählt wurde, gab es nur einen kurzen Händedruck zwischen Sager und der Linken. Und aus den Realo-Reihen hieß es zerknirscht: „Wir bekommen jetzt nicht die GAL von morgen, sondern die von vorgestern.“ Erst die deutliche Wahl Edlers versöhnte die Realos wieder ein wenig. Edler hatte keine Probleme, sich gegen Müller durchzusetzen: Er gilt – obwohl seit 20 Jahren in der GAL aktiv – als Parteigänger der grünen Jugend. Als Opitz darauf verzichtete, im zweiten Wahlgang gegen ihn und Müller anzutreten, war Edlers Wahl Formsache.

Der 50-Jährige hatte zuvor die Grünen aufgefordert, „persönliche Interessen und Eitelkeiten im Wahlkampf zurückzustellen“, hielt sich aber selbst nicht daran: Es sei „ganz gefährlich, persönliche Traumata in Wahlkampfstrategien zu verwandeln“, formulierte er und legte nach: „Eine Pressekonferenz ist keine Therapiesitzung, auf der ich meine persönlichen Bauchschmerzen ausbreite“ – ein nur unzureichend verhüllter Angriff auf Radcke und ihren Abgang als Bundesvorsitzende der Partei. Der Ausgang der anschließenden Wahlen bescherte Edler dann ausgerechnet Radcke als Partnerin – mit der er gemeinsam den Bürgerschaftswahlkampf für die Grünen organisieren soll.

Das kann die GAL auch weiterhin aus der Rolle der Regierungspartei tun. Die MV lehnte einen Antrag der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Naturschutz ab, das Mühlenberger Loch nicht der Dasa-Erweiterung zu opfern – was faktisch einem Koalitionsbruch gleichgekommen wäre. Die LAG hatte beantragt, erst den Flächenbedarf für den A3XX neu zu berechnen, bevor man der Zuschüttung des Mühlenberger Loches zustimmt. Nur ein Drittel der 210 erschienenen Parteimitglieder stimmten dem zu.

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