: Wieviel Bahn darf es sein?
■ Die private Güter-Bahn nach Farge steckt in der Krise / Bei einer Pleite wäre auch die Chance auf Personenzüge gestorben
Die Gutachter der Kasseler Verkehrs Consulting in Nord-Hessen brüten derzeit über die Zukunft des Personennahverkehrs in Bremen-Nord. Wie viel Fahrgäste mit Bussen, Straßenbahnen und Zügen bis Blumenthal oder Farge fahren könnten, sollen die Experten im Auftrag des Senats und der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) herausfinden. Eine Möglichkeit wäre, die bestehende Schienentrasse für die Güterzüge der privaten Farge-Vegesacker-Eisenbahn (FVE) auch für den Personentransport zu nutzen. Einziges Problem: Die FVE könnte mangels Aufträgen bis zum Abschluss des Gutachtens Ende Januar womöglich Pleite gehen. Seitdem klingeln bei den Befürwortern der Schienennutzung die Alarmglocken: „Ohne FVE wird die Option für Personenzüge schwierig“, erklärten CDU und Grüne im Vegesacker Beirat.
Anlass der FVE-Misere ist eine Kündigung des Farger Kraftwerks für die Kohle-Transporte ab Januar 2001. Bislang gondeln rund 500.000 Tonnen Kohle aus dem Ruhrgebiet im Jahr per Schiene nach Farge – das Hauptstandbein der FVE. In Zukunft sollen günstigere Kohle-Lieferungen per Schiff aus Übersee kommen. Und auch die Bundeswehr lässt maximal nur noch 200.000 Tonnen per FVE transportieren. „Davon können wir nicht existieren“, stöhnt Geschäftsführer Heinz Wolfgramm, der inzwischen Gespräche über Vorruhestandsregelungen mit einem Teil der zwölf Mitarbeiter führt.
Die einzige Chance der FVE: die geplanten Auto-Transporte für die Firma Egerland auf das ehemalige Vulkan-Gelände. Eine Entscheidung steht laut Wolfgramm aber noch aus. Aber selbst wenn das Speditionsunternehmen Autozüge bucht – vor Mitte 2001 würde Egerland sie nicht brauchen, schätzt der FVE-Boss: „Wir haben eine schwierige Durststrecke vor uns – wenn wir sie überhaupt überleben.“
Wenn der Güter-Betrieb nach Farge eingestellt wird, sieht auch BSAG-Chef Georg Drechsler die Chancen für einen Schienen-Personennahverkehr schwinden: „Wenn der Senat nicht einschreitet, kann eine weitere Nutzung schnell verbaut werden.“ Bei einem ähnlichen Fall in Thedinghausen hatte die BSAG den Betrieb der Güterbahn durch eine Tochtergesellschaft übernommen, um in ein paar Jahren ihre Straßenbahnen dort einsetzen zu können. Bis zu einem Schienen-Engagement der BSAG in Bremen-Nord will Drechsler aber auf das Gutachten warten. Im Gegensatz zu Blumenthal geht die FVE-Trasse im Bogen um Vegesack, könnte da also kaum zentrale Haltestellen bedienen. Günstiger könnte es sein, mit neuen Straßenbahntrassen durch Vegesack zu fahren und erst im zweiten Abschnitt auf den FVE-Gleisen weiterzurollen.
Inzwischen hat Rainer Buchholz, Sprecher der CDU-Beiratsfraktion in Vegesack einen Hilferuf an die Parteien der Bürgerschaft geschickt. Er fordert eine Erklärung der Firma Egerland, ob sie am angekündigten Bedarf des Schienentransports festhält. Und „ein Bündel von Maßnahmen“ des Senats, um den Fortbestand der Privatbahn FVE zu sichern. Bislang allerdings mit wenig Resonanz: Auch die eigene Partei habe leider noch keine eigene Initiative in Gang gebracht, gesteht der CDU-Mann. Alle warten auf das Gutachten aus Kassel.
Dabei hatte man schon vor Jahren das Projekt von externen Gutachtern untersuchen lassen. Das Resultat: Die Option auf einen Personennahverkehr Richtung Farge sollte man im Auge behalten. Die Gutachter machten allerdings auch klar, dass der Einsatz von Personen-Zügen teuer wird: Rund 30 Millionen Mark müssten für die Herstellung der Bahnsteige und Bahnübergänge ausgegeben werden. „Ob man sich die schnelle Verbindung zwischen Farge und Bremen leisten können darf, wird eine schwere politische Entscheidung“, vermutet Peter Müller vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Schließlich hängt der Zwang zum Sparen „wie ein Damoklesschwert“ über der Bremer Regierung.
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