sinti und roma: In die Mitte der Gesellschaft
Die Sinti und Roma sind hierzulande schon immer, seit Jahrhunderten, die geborenen Verlierer. Und als das NS-Regime den Völkermord an der jüdischen Bevölkerung durchführte, wurden sie wie selbstverständlich auch Opfer des Mordkomplotts. An ihre etwa 500.000 Toten erinnern seit Jahren Sinti und Roma sowie ein paar wackere Mitstreiter. Sie fordern ein Denkmal für die Ermordeten am Reichstag: Erstmals sieht es so aus, als könnten sie Erfolg haben.
Kommentar vonPHILIPP GESSLER
Das ist gut so, denn das immense Leid der Sinti und Roma ist in der deutschen Gesellschaft kaum präsent – wie auch: Sie sind nach wie vor Außenseiter. Im Gegensatz zur jüdischen Minderheit fanden sich für ihre Forderung nach einem Denkmal im Zentrum der Macht kaum Unterstützer. Da ist es fast ein Wunder, dass es nun zu klappen scheint. Dabei könnte ihrer guten Sache eher dienen, dass ihr Denkmal wegen des vorgesehenen Areals nicht so groß werden kann wie das Mahnmal für die ermordeten Juden.
Wahrscheinlich ist nun aber auch, dass die anderen NS-Opfer es zukünftig umso schwerer haben werden, ebenfalls ein Denkmal in Berlin, zumal im Zentrum, durchzusetzen. Hat der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) seinen Widerstand gegen das Sinti-und-Roma-Denkmal am Reichstag nur mit Zähneknirschen aufgegeben, wird eine weitere Gedenkstätte etwa für Homosexuelle im Zentrum kaum erreichbar sein. Hier rächt sich, dass es nie ein Gesamtkonzept des Gedenkens an die Opfer gegeben hat. Vielleicht aber wäre es für diese Gruppen auch eine Chance, nicht im Machtzentrum ihre Opfer zu betrauern – dort, wo sich bedeutungsschwangere Gedenkorte gegenseitig die Wirkung zu nehmen drohen.
Bliebe am Ende nur eine Hoffnung: Nicht nur die ermordeten Sinti und Roma sollten einen Platz in der Mitte der Gesellschaft erhalten.
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