Technisch überlegen gegurkt

Köln – Leverkusen 1:1: Lethargisch und anämisch müht sich der Topfavorit auf Platz 2 zum Remis im rheinischen Derby. Selbst Motivator Christoph Daum scheint einen eigenen Motivator zu brauchen

aus Köln KATRIN WEBER-KLÜVER

Als Kollege Wolfgang Holzhäuser ihm ein winziges Handy reichte, auf dem gerade ein Anruf für Reiner Calmund eingegangen war, nahm der Geschäftsführer von Bayer Leverkusen das Gerät zwar automatisch in die Hand. Doch der Mensch am anderen Ende der Leitung musste sich eine ganze Weile gedulden, bis er dann kurz abgefertigt wurde. Reiner Calmund hatte gerade Wichtigeres zu tun. In einem Vorflur des Müngersdorfer Stadions erschöpft an eine Fensterbank gelehnt, musste er wütende Kritik loswerden. Aufschub ließ das nicht zu, denn Reiner Calmund war gerade mal wieder von seiner Mannschaft um einen schönen Nachmittag betrogen worden.

„Den Scheiß, den die da abliefern – das macht mir keinen Spaß“, schimpfte er nach dem 1:1 beim 1. FC Köln, und dass er „mit dem überlegenen technischen Gegurke“ seiner Elf „nichts anfangen“ könne. Wobei zu ergänzen ist: selbst das mit der Überlegenheit dieser Ansammlung von Nationalspielern war nur phasenweise richtig. Nach einer unansehnlichen, aber relativ kontrolliert gespielten ersten Halbzeit und der Führung durch den später verletzten Ulf Kirsten (32.) sowie einer immer schwächeren zweiten Hälfte und dem Ausgleich durch Dirk Lottner (75.) musste sich der Vizemeister freuen, das Derby beim Aufsteiger nicht sogar verloren zu haben.

„Das wäre zu viel des Guten gewesen, hier auch noch zu verlieren“, kommentierte zwar Leverkusens Trainer Christoph Daum den Umstand, dass dem FC die Anerkennung eines regulären Tores kurz vor Schluss durch eine falsche Abseitsentscheidung versagt geblieben war. Kölns Trainer Ewald Lienen aber konterte nur trocken: „Wir hätten gewinnen können – ob das des Guten zu viel gewesen wäre, das wär mir scheißegal gewesen. Es wäre gut gewesen.“

Sicher wäre es gut für die Stimmung im Stadion gewesen, die eher artig als feurig war. Auch wäre es für den FC Lohn für den geschlossenen Mannschaftseinsatz gegen eine nominell weitaus stärker besetzte Elf gewesen. Denn den Timms und Arveladzes unterliefen zwar immer mal wieder kuriose Fehler vor lauter Aufregung. Aber kein Kölner ließ sich von solchen Pannen entmutigen. Und so war, getragen von der eigenen Begeisterung, dann auch spielerisch manches ansehnlicher als das, was die Gegenseite aus Leverkusen ablieferte.

Etwa der Spielzug, der den Ausgleich vorbereitete. „Wir haben uns bei 1:0-Führung auf dem gegnerischen Platz auskontern lassen“, rekapitulierte Daum und tat das in einem Ton, als habe er gerade und zum ersten Mal feststellen müssen, dass sich keiner seiner Spieler alleine die Schnürsenkel zubinden könne. Nur mit einer Notbremse vermochte Jurica Vranjes bei diesem Spielzug Christian Timm zu bremsen. Dafür sah Vranjes Rot, und Lottner nutzte die Chance zum Freistoßtor.

Die Leverkusener aber rafften sich nicht einmal nach diesem Ausgleich auf. Sie agierten wie zuvor und nicht zum ersten Mal in dieser Saison: anämisch.

Und insofern wäre vielleicht auch für Bayer eine Niederlage gut gewesen, um aus der Lethargie zu erwachen. Andererseits ist bereits die satte 1:4-Niederlage in Stuttgart an der Mannschaft ohne Effekt vorbeigegangen. Calmund ist langsam ratlos: „Leidenschaft, Laufbereitschaft, Aggressivität – das war bei uns noch in keinem Spiel da.“

Womöglich fehlt doch ein hierarchisches Gefüge und vor allem im Mittelfeld jemand, der nicht nur schön spielen kann, sondern auch Autorität als Führungsspieler ausstrahlt. Das aber können weder ein Ballack noch ein Ramelow oder Vranjes.

Reiner Calmund will von solcherlei Führungsproblemen nichts wissen: „Für Leidenschaft brauche ich keinen Chef.“ Fazit: „Mehr Brennen muss kommen in kürzester Zeit.“ Nur die Frage, wie man Brennen herstellt, kann in Leverkusen gerade keiner beantworten. „Wir müssen an uns arbeiten“, war alles, was der Trainer mitzuteilen hatte. Das klang so blutleer, wie das Spiel seiner Mannschaft war. Christoph Daum wirkt gerade so, als müsse er selbst mal wieder ordentlich motiviert werden. Und das ist ein ganz schlechtes Zeichen.

1. FC Köln: Pröll - Sichone, Cicon, Keller - Scherz (84. Baranek), Vukomanovic (62. Lottner), Voigt, Kreuz, Cullmann - Timm, Arweladse (78. Donkow)Bayer: Zuberbühler - Zivkovic, Nowotny, Kovac - Neuville, Vranjes, Ramelow, Ballack, Ze Roberto (80. Brdaric) - Kirsten (60. Schneider), Rink (80. Neuendorf)Zuschauer: 40.000; Tore: 0:1 Kirsten (32.), 1:1 Lottner (75.) Rot: Vranjes (73./Notbremse)