Paris sucht noch

Die französische Regierung sucht nach einem „Mechanismus“, um die EU-Sanktionen gegen Österreich ohne Gesichtsverlust beenden zu können

PARIS taz ■ Dass die Sanktionen gegen Österreich aufgehoben werden, gilt als ausgemacht. Die Frage ist nur, wie und wann. Ausgerechnet Frankreich, das vor siebeneinhalb Monaten mit Belgien am stärksten nach einer Isolierung des rechtsextrem mitregierten Wiens verlangt hatte, muss nun nach den Modalitäten für das Ende der EU-Sanktionen suchen, die seit dem Bericht der drei Weisen vom vergangenen Freitag nicht länger haltbar sind. Die Konsultationen könnten noch „Stunden oder Tage dauern“, sagte Frankreichs Europaminister Pierre Moscovici gestern in Paris.

In fieberhafter Telefondiplomatie in die 13 anderen Hauptstädte, von denen sich viele zuletzt ohnehin nur noch widerstrebend an den symbolischen Sanktionen beteiligt hatten, suchte Paris gestern nach Auswegen, um der EU-Politik einen Gesichtsverlust zu ersparen.

Ziel der Konsultationen sei es, nicht nur die Sanktionen gegen Wien aufzuheben, sondern auch einen Mechanismus zu schaffen, um künftig über die Einhaltung der im EU-Vertrag definierten gemeinsamen Werte wachen zu können, hieß es gestern im Pariser Außenministerium. Ein derartiger „Mechanismus“ solle populistische und fremdenfeindliche Bewegungen in der gesamten EU kontrollieren.

Frankreichs politisches Establishment hatte sich seit Ende Januar vehement gegegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ in Wien ausgesprochen. Die französische Spitze war es denn auch, die zuerst mit dem Vorschlag an Berlin herantrat, Österreich diplomatisch zu isolieren. Dieser Vorschlag fand bei Schröder & Co sofort positive Unterstützung, betonen Politiker jedweder Couleur.

Allerdings fanden seither in Deutschland und anderen EU-Ländern heftige innenpolitische Kontroversen über die Österreich-Sanktionen statt – die vom Nicht-Händedrücken, über Nicht-Einladungen zu bestimmten Terminen bis hin zur Nicht-Unterstützung österreichischer Kandidaten reichten. In Paris hingegen waren sich fast alle über den Sinn der Sanktionen einig – von der rot-rosa-grünen Regierung bis hin zum neogaullistischen Staatspräsidenten. Im Élysée-Palast wurde noch vor wenigen Monaten erwogen, die Sanktionen notfalls auch im französischen Alleingang aufrecht zu erhalten.

Vor allem aus kleineren EU-Mitgliedsländern häuften sich in den vergangenen Monaten die kritischen Stimmen. Die Sanktionen wurden entweder als „nutzlos“ oder als politisch schädlich empfunden. „Schädlich“ nicht nur für Österreich, wo sich die FPÖ in ihrem Belagerungswahn bestätigt sieht, sondern auch für andere EU-Staaten mit starken Anti-EU-Ressentiments. Dies gilt beispielsweise für Dänemark, wo demnächst ein Referendum über den Euro stattfindet, bei dem ein sehr knappes Ergebnis erwartet wird.

Starker Druck auf eine schnelle Entscheidung der 14-EU-Partner zur Aufhebung der Sanktionen kam gestern auch aus Wien. Staatspräsident Thomas Klestil nannte das absehbare Ende der Sanktionen einen „Sieg der kleinen Länder“. DOROTHEA HAHN