Auf einem Sack voll Geld

Teilmarkt- und Weltteilmarktführerschaften: Der Bertelsmann-Verlag zieht eine positive Bilanz

aus Hannover STEFFEN GRIMBERG

Am Anfang wird noch sehr höflich vom „ungewöhnlich hohen Finanzierungsspielraum“ gesprochen, und Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff hört gar nicht auf, sich zu freuen. Über 32 Milliarden Mark Umsatz, über 1,3 Milliarden Mark Jahresüberschuss – da fallen irgendwann die Hemmungen: „Wir haben uns eine Kriegskasse angelegt, die keinen Vergleich scheuen muss“, sagt Middelhoff, „wir sitzen auf nem Sack voller Geld“, so rund 30 Milliarden Mark könnte Deutschlands größter Medienkonzern ausgeben.

Teilmarkt oder Weltmarkt?

Nur wofür? Großinvestitionen haben schon im vergangenen Geschäftsjahr, das bei Bertelsmann im Juni endet, nicht stattgefunden, und so musste sich Thomas Middelhoff die Frage gefallen lassen, ob sein Unternehmen jetzt vielleicht eine Bank sei.

Stattdessen war auf der gestrigen Wirtschaftspressekonferenz im hauseigenen Planet m auf der Expo viel von „Teilmarktführerschaften“ die Rede: Bei den Büchern hat man die ohnehin, die Bertelsmann-Tochter Gruner + Jahr ist ebenfalls schon etwas länger der größte Zeitschriftenverlag Europas, und im Musikbereich geht der Wunsch nach der „Weltteilmarktführerschaft“ auch schon ins zweite Jahr.

Ein Medienrieseerfindet sich neu

Doch auch wenn der Vorstand bei der Bertelsmann Music Group BMG „dramatisches Wachstum“ ausmacht: Es reicht längst noch nicht, und bis Jahresende sieht Middelhoff daher nur noch die „realistische Chance, unserem Ziel näher zu kommen“. Dafür erfindet sich der Medienriese gerade neu. „Zwei Jahre nach dem Generationswechsel in der Unternehmensführung werden die Konturen des neuen Bertelsmann sichtbar“ – schon deshalb will Middelhoff seine Jahresbilanz ausdrücklich nur als „Zwischenbericht“ verstanden wissen.

Waren früher die Bereiche Buch und Gruner + Jahr die beiden Konzernsäulen, wird jetzt umgebaut: Die neue Pfeiler heißen Inhalte, Druck und Service sowie der Direct-to-Customer-Bereich, in diesem sollen auch die kränkelnden Buch-Clubs unterschlüpfen, die früher einmal als cash cows dem Gütersloher Druck- und Verlagsunternehmen den Aufstieg zum Weltkonzern finanzierten.

Im Fernsehbereich verzeichnet die Bilanz allerdings ein hübsches Umsatzplus, schließlich werden jetzt die Bertelsmann-Anteile an der weiter wachsenden RTL-Group eingerechnet: Erst am Montag hatte die nämlich weitere sechs Prozent der Anteile am spanischen TV-Sender Antenna 3 übernommen. Das hoch gesteckte strategische Ziel: Weltweit führender Anbieter von Content und Medien-e-commerce will Bertelsmann werden, 40 Umsatzmilliarden hält Middelhoff für realistisch. Bis 2003 sollen rund sieben Milliarden Mark in den weiteren Ausbau des Online-Geschäfts fließen.

Intranetfür alle

Auch intern setzt der Konzern auf papierlose Kommunikation und Intranet für alle, und wenn sich die deutschen Finanzämter und Bertelsmann noch rechtzeitig zusammenraufen, bekommt spätestens bis Weihnachten auch hierzulande jeder Mitarbeiter seinen eigenen PC geschenkt.