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Mit Blut und Ehre ist jetzt Schluss

Blood & Honour bietet derrechten Jugendkultur Abenteuer in Form von konspirativen Konzerten

von MICHAEL THOMAS

„Blood & Honour“ steht für eine Weiterentwicklung militanter neonazistischer Strukturen in den späten 80er- und frühen 90er-Jahren und ist international organisiert: So genannte Divisionen der rechtsradikalen Organisation gibt es in fast allen osteuropäischen und skandinavischen Ländern, in England, der Schweiz und in Deutschland, wo sie gestern von Bundesinnenminister Otto Schily verboten wurde.

Das Konzept von Blood & Honour ist einfach, aber erfolgreich: „Es gibt kein besseres Mittel als Musik, um die Jugend für unsere Ideen zu begeistern“, so Ian Stuart Donaldson, mittlerweile verstorbener englischer Gründungsvater von Blood & Honour und Sänger der rechtsextremen Naziskinband „Skrewdriver“.

Das war Anfang 1992: Innerhalb von acht Jahren hat sich Blood & Honour in der rechten Jugendkultur ebenso wie innerhalb der organisierten Neonaziszene den Ruf als „die Härteste“ und „Avantgarde“ erarbeitet. Dabei wurde strategisch vorgegangen: Mit Hilfe eines internationalen Netzwerkes von rechtsextremen Bands, halb konspirativ arbeitenden Vertriebsstrukturen, professionell gestalteten Websites im Internet, hat sich Blood & Honour inzwischen als wichtigster „Bauchladen“ der rechten Bewegung in Deutschland und Skandinavien etabliert: Jugendliche Einsteiger werden materiell versorgt – mit indizierten CDs, Propagandamaterial und so genannten Kriegsberichter-Videos, in denen offen der Mord an politischen GegnerInnen und Schwarzen propagiert wird.

Kulturell bietet Blood & Honour der rechten Jugendkultur Erlebnis in Form von konspirativ mobilisierten Konzerten und Bands zum Anfassen. Ein Drittel der 105 rechtsextremen Konzerte, die im vergangenen Jahr in Deutschland stattgefunden haben, wurde laut Bundesamt für Verfassungsschutz von Blood & Honour Deutschland organisiert. Darunter auch Konzerte wie beispielsweise am 13. November 1999 im thüringischen Dorf Schorba, zu dem über eintausend Rechtsextreme aus ganz Deutschland anreisten, um die US-amerikanische Band „Max Resist“ sowie die deutschen Gruppen „Radikahl“ und „Stahlgewitter“ zu bejubeln. Angemietet wurde der Saal für die Faschingsfeier eines Jugendclubs; eine Vorwarnung durch die Sicherheitsbehörden gab es nicht. Erst nachdem Konzertbesucher am Ende des Abends randalierten, schritt die Polizei ein.

Auch politisch macht Blood & Honour die Vorgaben: Aufgabe sei es, „Patrioten verschiedener Stilrichtung zu sammeln und zu einen, nicht nur in der Musik, sondern im Kampf“, schrieb der Berliner Neonazi und Blood & Honour-Führungsmitglied Stephan Lange alias „Pinocchio“ schon 1998.

Diesem Aufruf wurde Folge geleistet: Blood & Honour-Sektionen tauchten seitdem vermehrt mit eigenen Transparenten bei NPD-Aufmärschen auf. Die deutsche Blood & Honour-Publikation interviewt inhaftierte Neonaziterroristen und berichtet seitenweise von Wehrsportübungen der einzelnen „Sektionen“.

Welches Selbstverständnis dahinter steht, erklärt einer der Gründungsväter der skandinavischen Blood & Honour-Sektion mit dem Pseudonym „Max Hammer“ in einem per Internet verbreiteten Strategiepapier: „Das Konzept der Waffen-SS enthält alle Prinzipien sowie den wahren Geist unserer Überzeugung in seiner reinsten Form, von der wir unsere Inspiration zur Organisierung einer neuen Legion arischer Gladiatoren beziehen müssen.“

Es folgt ein Aufruf zum bewaffneten Kampf: „Die Zeit des Geredes ist wirklich vorbei. Wir haben ein Stadium erreicht, in dem JEGLICHE Form der Aktion der Inaktivität vorzuziehen ist“, schreibt „Max Hammer“, hinter dem sich der norwegische Neonazikader Erik Blücher verbirgt.

Blücher verfügt über beste Kontakte nach Deutschland, betreibt seit Jahren mit seinem deutsch-dänischen Gesinnungsgenossen Marcel Schilf den Propagandaversand für Blood & Honour Skandinavien – zwei Drittel aller Kunden kommen übrigens aus Deutschland – und unterhält enge Kontakte zur britischen Terrorgruppe Combat 18. So verwundert es auch nicht, dass Combat 18 in dem Strategiepapier die Rolle des bewaffneten Arms von Blood & Honour“ zugewiesen wird.

Was hat das alles mit Deutschland und „rechtsterroristischen Betrebungen“ zu tun? Einmal abgesehen davon, dass die deutsche Blood & Honour-Division zu den aktivsten in ganz Europa gehört und innerhalb der Szene als „Avantgarde“ anerkannt ist, existieren seit Jahren enge Kontakte zwischen deutschen, skandinavischen und englischen Kadern von Blood & Honour und Combat 18: Ein Beispiel: Im November vergangenen Jahres trafen sich deutsche, schwedische, englische und norwegische Neonazis aus dem Netzwerk von Blood & Honour in einer Kleinstadt bei Oslo. Wesentlicher Programmpunkt des Treffens: Die Koordinierung internationaler Anti-Antifa-Aktivitäten und damit verbundener Terror gegen AntifaschistInnen, JournalistInnen, GewerkschafterInnen und Vertreter staatlicher Behörden. Die anwesenden Deutschen baten um Unterstützung bei Aktionen gegen „politische Gegner“.

(...)

Bei Combat 18 und den terroristischen Segmenten des Blood & Honour-Netzwerks handelt es sich um fest gefügte Strukturen, die arbeitsteilig vorgehen. Die Personen, die sowohl in Deutschland als auch in Skandinavien das Netzwerk von Blood & Honour entscheidend prägen und zusammenhalten, sind alte Bekannte. Eine Mehrzahl von ihnen kommt aus dem Netzwerk der von dem verstorbenen Neonazianführer Michael Kühnen aufgebauten „Gesinnungsgemeinschaft der Nationalen Front“ (GdNF) und deren Hintergrundstruktur, der illegalen NSDAP/AO: Nach außen hin sollte die GdNF als lockere Gemeinschaft erscheinen, die nur die gemeinsame nationalsozialistische Weltanschauung verband. Das Endziel bis heute: Die Wiederzulassung der NSDAP in Deutschland und das Vierte Reich. Die GdNF-Kader sollten diese Strategie mit Hilfe von Vorfeldorganisationen umsetzen. Staatliche Verbote einzelner Organisationen und Vereine sind bei diesem Organisationsschema eingeplant. Die Front- und Vorfeldorganisationen lenken die staatlichen Aktivitäten auf sich, während das steuernde Zentrum, scheinbar nur lose organisiert, im Hintergrund die Repression übersteht. Am wichtigsten sind für die GdNF die Kader, denn sie „sichern in Zeiten des Verbots [. . .] das Überleben der Gesinnungsgemeinschaft und eine spätere Neugründung von Organisationen“.

Die unterschiedlichsten Beispiele lassen den Schluss zu, dass es sich zum einen bei Blood & Honour um eine Weiterentwicklung des GdNF-Konzeptes handelt; und dass zum anderen die alten GdNF-Strukturen entscheidend zum flächendeckenden Aufbau der Freien Kameradschaften beigetragen haben: Laut staatlicher Zählungen existieren davon mittlerweile in Deutschland rund 150. Und dass diese Struktur – in die nach sorgfältiger Auswahl auch jüngerer Nachwuchs aus ost- und westdeutschen Neonazigrüppchen eingebunden wird – mittlerweile die NPD als Spielball vor sich hertreibt, der nur dazu dient, den legalen Rahmen für Aufmärsche, Versammlungen, Propagandaversand und kommunale Aktionen zu stellen, um das Ziel der GdNF, die Aufhebung des NSDAP-Verbots, zu erreichen.

Bestandteil der Kaderausbildung von GdNF und Blood & Honour sind Wehrsportübungen und der Umgang mit Waffen und Sprengstoff. Von beidem gibt es in der deutschen Neonaziszene mehr als im Überfluss. In den letzten zehn Jahren haben hunderte von deutschen Neonazis derartige Trainings durchlaufen – sei es in den brandenburgischen Wäldern, der Lüneburger Heide, beim südafrikanischen ABW, bei der schwedischen Nationalsozialistischen Front (NSF) oder als Söldner in Kroatien und gelehrige Schüler von prominenten Rechtsterroristenvorbildern wie Ekkehard Weil und Peter Naumann. Noch sind diese „politischen Soldaten“, die hier herangezüchtet wurden und werden, in feste Strukturen eingebunden.

Wie das Beispiel von Blood & Honour und der Freien Kameradschaften zeigt, sind innerhalb der Gruppierungen unterschiedliche organisatorische Ansätze sowie verschiedene subkulturelle Orientierungen explizit erwünscht. Gegen staatliche Verbote à la 1992 und 1993 sind diese Strukturen nahezu immun.

Der Autor ist Mitarbeiter des „Antifaschistischen Infoblatts Berlin“ (AIB)

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