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Diepgen verkuppelt Bus und Bahn

Der Regierende Bürgermeister verhandelt mit Bahnchef Mehdorn über eine Fusion von BVG und S-Bahn. Schon im April 2001 soll eine Nahverkehrsholding den Betrieb übernehmen. 4.000 Stellen würden wegfallen. Personalrat fühlt sich übergangen

von INGRID GEGNER

Die Fusion von BVG und S-Bahn wird konkret. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, Hartmut Mehdorn, wollen nach einem Bericht des Berliner Kuriers spätestens im Oktober über die Gründung einer Nahverkehrs-Holding beraten. Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU) habe das Treffen organisiert und habe bereits mit Mehdorn über das Streckennetz beraten, heißt es weiter. Der Zusammenschluss werde laut Branoner in diesem Jahr „noch nicht verwirklicht“, solle aber nach Informationen aus dem Senat im April 2001 zu Stande kommen.

„Das ist eine Kanone“, empörte sich gestern der Vorsitzende des BVG-Gesamtpersonalrates, Uwe Nitzgen, über die Fusions-Gespräche. „Ich bin enttäuscht, dass Herr Branoner solche Verhandlungen führt, ohne den Aufsichtsrat der BVG zu informieren.“ Mit seiner Unterstützung der Fusionspläne begehe auch Diepgen einen Vertrauensbruch. „Schließlich hatte der Bürgermeister immer gesagt, es werde in Berlin keine betriebsbedingten Kündigungen im öffentlichen Dienst geben“, so Nitzgen. Eine Fusion von BVG und S-Bahn sieht hingegen einen Abbau von 4.000 Stellen vor.

Nitzgen wies darauf hin, dass die Tarifverträge betriebsbedingten Stellenabbau ausschließen. Die BVG hätte bereits 11.000 Stellen abgebaut und plane in den nächsten vier Jahren den Wegfall von weiteren 2.500 Stellen. „Darüber hinaus werden wir keine Kündigungen zulassen“, sagte Nitzgen. Sollte die Fusion und somit der Abbau von 4.000 Stellen zu Stande kommen, werde Bahnchef Mehdorn „die Kraft der Gewerkschaften zu spüren bekommen.“ Die Fusion ließe sich zudem nicht mit den Sanierungsplänen der BVG vereinbaren. Zwischen dem Land Berlin und der BVG besteht ein Unternehmensvertrag, der die Konzessionsvergabe an die BVG bis 2007 regelt. Danach soll die Gesellschaft bis Ende 2007 mit einem Plus von 3 Millionen Mark in den schwarzen Zahlen sein. „Warum soll das Ruder jetzt plötzlich wieder herumgedreht werden?“, wunderte sich Nitzgen.

Die verkehrspolitische Sprecherin der PDS-Fraktion, Jutta Matuschek, zeigte sich verwundert über die Meldung. „Mir ist nicht bekannt, dass die BVG sich dem Diktat der Bahn unterwerfen will“, sagte Matuschek. Sie bezweifelt, dass der Senat insgesamt seine Meinung geändert habe. Noch Mitte August hatte Verkehrssenator Peter Strieder (SPD) eine Fusion als nicht akzeptabel bezeichnet, wenn dabei das Angebot im öffentlichen Nahverkehr reduziert werde.

Bereits seit Jahresanfang liebäugelt die Bahn AG mit der Fusion von S-Bahn und BVG. Mehdorns Konzept sieht „marktkonforme“ Löhne unter dem jetzigen Lohnniveau der BVG vor. Dies würde der Landeskasse bis 2010 um 3,5 Milliarden Mark sparen. Außerdem plant die Bahn ein „integriertes Verkehrskonzept“: zu Bahnlinien parallel laufende Buslinien stehen auf der Streichliste.

Die Fusionspläne waren auf scharfe Kritik der ÖTV getroffen. Auch das Abgeordnetenhaus hatte eine Nahverkehrs-Holding abgelehnt. Die finanziell angeschlagene BVG solle alleine ihre Effizienz erhöhen.

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