piwik no script img

Hat der Sozialpsychiatrische Dienst versagt?

■ Nach knapp verhinderter Gasexplosion: Dienstbeschwerde gegen Behördenmitarbeiter

Trägt der Sozialpsychiatrische Dienst Mitschuld daran, dass ein offenbar psychisch Kranker vergangene Woche in der Mathildenstraße fast eine Gasexplosion verursacht hätte? Diese Auffassung vertritt eine ehemalige Bewohnerin des betroffenen Hauses. Sie hat Beschwerde „wegen Unterlassung der Dienstpflicht“ gegen einen Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes erhoben. Nach ihrer Ansicht hätten Betreuer zum Schutz des psychisch Auffälligen längst eingreifen müssen. So wäre vielleicht verhindert worden, dass der amtsbekannte 33-Jährige, der agressiv auftrat, überhaupt an der Gasleitung in seiner Wohnung manipulieren konnte – und so das Leben von 16 weiteren HausbewohnerInnen gefährdete.

Der Leiter des Bremer Gesundheitsamtes, Jochen Zenker, zeigte sich gestern von den Vorwürfen sehr betroffen. „Wir haben bis jetzt keine Anzeichen, dass hier ein Fehler unsererseits vorliegt“, sagte er. Man habe den Fall bereits ein erstes Mal geprüft. Möglicherweise würden bereits heute genaue Ergebnisse vorliegen. Nach bisheriger Erkenntnis habe der mehrfach eingeschaltete Sozialpsychiatrische Dienst aber schon vor dem Vorfall bei Gericht versucht, eine Betreuung für den Mann zu erwirken. Dies jedoch dauere Zeit. Auch habe ein Mitarbeiter seines Amtes versucht, den als auffälligen Nachbarn bekannten Mann aufzusuchen – wobei dieser den Zutritt verweigert hatte.

Daran erinnert sich auch die ehemalige Nachbarin. Ihr gegenüber habe der aufsuchende Mitarbeiter aber gesagt, er habe das Gespräch mit dem Kranken – durch die Wohnungstür – aufgegeben, damit die Situation nicht eskaliere. Der selbe Mitarbeiter habe ihr auch geraten, ihren Urlaub – den sie eigentlich in ihrer Wohnung verbringen wollte – doch anderswo zu verbringen. Offenkundig seien ihre Beschwerden nicht ernst genug genommen worden.

Tatsächlich hatte die Frau bereits drei Wochen vor der Fast-Explosion die Polizei alarmiert, weil sie bereits da den Verdacht hatte, der häufig sägende und hämmernde Nachbar manipuliere an den Gasleitungen. „Der Einsatz erbrachte dahingehend keine Hinweise“, heißt es bei der Polizei. Die musste schließlich doch eingreifen. Nachdem ein Mann am Abend des 12. August zufällig Gasgeruch bemerkte, verhinderten Polizei und Feuerwehr nur mit knapper Not eine Gasexplosion. Sie betraten eine völlig verwüstete Wohnung – in der der Boden über dem Zimmer der Beschwerdeführerin offensichtlich mit einem schweren Hammer bearbeitet worden war. Zu dem Zeitpunkt hatte der Mann das Haus bereits verlassen. Er wurde wenig später in Göttingen festgenommen. Seither sitzt er in Untersuchungshaft. Die taz-Anfrage, warum ein offenkundig psychisch Kranker nicht spätestens jetzt in psychiatrische Behandlung kommt – statt in Haft –, konnte der Leiter des Gesundheitsamtes gestern nicht beantworten. ede

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen