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Ein Himmel voller Dornen

Theater im Ausschuss: Senator Christoph Stölzl rechnet sich die Kultur schön, und SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit opponiert. Nichts ist mehr ausgeschlossen: Wird jetzt der Hauptstadtkulturfonds des Bundes geplündert, der Französische Dom verkauft?

von RALPH BOLLMANN

Berlin gibt für seine Kultur nicht zu wenig, sondern zu viel Geld aus: Mit dieser erstaunlichen These überraschte Kultursenator Christoph Stölzl gestern den Theaterausschuss des Abgeordnetenhauses. Ins Jubeln freilich versetzten die Rechenkünste des Senators die Parlamenterarier nicht. Eine rot-grüne Opposition, bestehend aus SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit und der grünen Kulturexpertin Alice Ströver, mochte Stölzls rosige Hoffnungen nicht teilen.

Im Kern geht es dabei um jene fünfprozentige Kürzung der Theatersubventionen, die den Kulturetat im kommenden Jahr um 17 Millionen Mark schmälert. Dass Stölzl bei den Haushaltsberatungen zu diesem Einschnitt bereit war, hatte ihm Wowereit schon in der Sommerpause angekreidet. Außerdem werden den Bühnen rund sechs Millionen Mark fehlen, weil die Gehälter ihrer Beschäftigten steigen. Macht zusammen 23 Millionen Mark. So weit sind Stölzl und seine Widersacher d’accord.

Jetzt kommt’s: Stölzl rechnete großzügig vor, wie er die Einbußen nicht nur kompensieren will, sondern am Ende sogar 11 Millionen Mark zu viel in der Kasse hat. Und Wowereit hielt Punkt für Punkt dagegen, warum er diese Einnahmeposten für Luftbuchungen hält.

Stölzl will bereits im kommenden Jahr 11 Millionen Mark einsparen, indem er 181 Stellen streicht. Damit das auch nur ansatzweise funktioniert, braucht er aber einen 36-Millionen-Fonds für Abfindungen. Dafür aber muss er Grundstücke verkaufen, und die – so Wowereit – hat er nicht. Zwar kursiert bereits eine entsprechende Immobilienliste, doch darauf finden sich so schwer verkäufliche Objekte wie der Französische Dom. Immerhin: Das Brandenburger Tor, versicherte Stölzl, solle im Besitz des Landes bleiben.

Außerdem hofft der Senator, dass ihm die Lottostiftung wieder einen dicken Batzen überweist. Njet, sagt Wowereit, der dem Stiftungsrat selbst angehört. Schließlich leiten die Haushälter vom kommenden Jahr an einen großen Teil der Lottogelder in die Jugendförderung, für die Kultur bleibt – nach Abzug längst versprochener Peymann-Millionen – wenig übrig. Jetzt will Stölzl, das ist neu, auch noch Gelder aus dem Fonds für Hauptstadtkultur – vom Bund alimentiert und von Exsenator Sauberzweig verwaltet – in die leeren Kassen der Staatstheater umleiten. Geht nicht, zetert Wowereit, denn das Geld ist längst verplant. Und nun? Einzige Hoffnung für die Berliner Kultur: Beim letzten „Chefgespräch“, das Stölzl mit dem Finanzsenator führte, assistierte auch Bürgermeister Diepgen. Und der ist neuerdings auch Chef des Lottostiftungsrats. Gut möglich, dass er das eine oder andere versprach.

Wie auch immer: Mitte Oktober endlich will Stölzl sein Opernkonzept präsentieren, das ursprünglich für September annonciert war. Dabei soll, versprach der Senator gestern, etwas „sehr, sehr Neues“ herauskommen. Die dornige Warnung folgte auf dem Fuße: „I never promised you a rose garden.“

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