Sektkorken über Gütersloh

Wahrscheinlich blockiert die EU-Kommission die geplante Fusion des Medienkonzerns Time Warner mit dem Musikriesen EMI. Der lachende Dritte hieße dann Bertelsmann, und die Vielfalt ist eh dahin

von STEFFEN GRIMBERG

Eigentlich sieht es aus wie ein Sieg für inhaltliche Vielfalt, für ein kleines bisschen mehr Chancengleichheit auf einem der umkämpftesten und zukunftsträchtigsten Medienmärkte der Welt: Der geplante Zusammenschluss des US-Medienriesen Time Warner mit dem ursprünglich britischen Musikkonzern EMI steht auf der Kippe. Nicht etwa, weil sich wieder Firmenbosse selbst im Weg standen – man ist schließlich nicht im deutschen Bankengeschäft.

Dominierende Position

Die Spielverderber sind vielmehr die internationalen Kartellwächter, allen voran die EU-Kommission. Sie sendet jetzt ein klares Signal gegen die Megafusionswelle der letzten Monate: Ihre Wettbewerbshüter wollen den Zusammenschluss blockieren, weil die beiden Konzerne im internationalen Musikgeschäft sonst eine dominierende Position erreichen, für die der Begriff „marktbeherrschend“ geradezu niedlich klingt: Über 40 Milliarden Mark ist dieser Musik-Merger wert. Zudem, so die zuständige Merger Task Force der EU-Kommission, wäre dann das Ologopol perfekt. Denn schon heute gehören Time Warners Warner Music und EMI zu den fünf größten Plattenfirmen der Welt, deren Anzahl so auf ganze vier schrumpfen würde.

Deren Vorstände verweisen zur Verteidigung gern auf die Vielzahl kleiner, unabhängiger Labels in aller Welt. Doch die Konkurrenz, die das Geschäft belebt, wird in der Tonträgerindustrie nur bedingt geduldet: so lange nämlich, bis sie eine Neuentdeckung, einen Star oder ein Marke etabliert hat. Und dann wird sie von einem der Majors als Kreativspritze aufgekauft.

Bis heute können nun die EMI-Manager versuchen, durch Zugeständnisse die EU-Offiziellen und vor allem Wettbewerbskommissar Mario Monti umzustimmen und den geplanten Musikriesen doch noch zu retten.

Diese hatten ihren Negativbeschluss zwar schon Ende vergangener Woche in einem internen Papier begründet, das allerdings noch keine endgültige Entscheidung darstellt. Vielmehr, so die Darstellung aus Brüssel, dienen solche Vorabbegründungen als Verhandlungsgrundlage mit den betroffenen Firmen. Laut dem Entwurf, der der Financial Times vorliegt, befürchtet die EU-Kommission, dass die Musikunternehmen „mit großer Wahrscheinlichkeit Preisabsprachen treffen“. Außerdem hätte ein fusioniertes Warner-EMI eine dominierende Stellung im Bereich der Tonträger wie bei Aufführungsrechten, die sich im Onlinemarkt fortsetzen würde.

Die bisherigen Zugeständisse der beiden Firmen reichen den Wettbewerbshütern bei weitem nicht: Zwar hat sich EMI verpflichtet, seinen Musikkatalog in den nächsten drei Jahren nicht bevorzugt an zum AOL/Time-Warner-Konzern gehörende Internetprovider weiterzureichen, sondern auch an deren Konkurrenten. Doch solche Commitments gehen der Kommission nicht weit genug, da sie lediglich in einer – auch noch zeitlich begrenzten – Selbstverpflichtung bestehen und zudem mit Blick auf „das eigentliche Problem gar nicht greifen“: Schließlich, so das Kommissionspapier, entstünde bei einem Zusammenschluss ein vertikal organisiertes Unternehmen, das weltweit rund 50 Prozent aller Musikrechte kontrollieren würde.

Vielleicht können also die Bertelsmänner doch noch den Sekt kalt stellen: Der größte deutsche Medienkonzern mit Sitz in Gütersloh will noch bis Jahresende die weltweite Nummer eins im Musikgeschäft werden und hatte schon in den vergangenen Jahren mit EMI über einen Zusammenschluss verhandelt, diesen Plan aber wegen zu hoher Kaufpreise vorerst auf Eis gelegt. Jetzt demonstriert Bertelsmann aber erneut vorsichtiges Interesse: „Wenn sich die Möglichkeit ergibt, sind wir offen“, hatte der für Musik zuständige Vorstand Michael Dornemann bei einer Unternehmenspressekonferenz am Mittwoch betont.

Gefüllte Kriegskasse

Preislich könnte Bertelsmann EMI jetzt auch weiter entgegenkommen: Ca. 30 Milliarden Mark stehen dem Konzern nach eigenen Angaben für strategische Investitionen, also Zukäufe und Beteiligungen, zur Verfügung.

Die wieder erwachte Hoffnung auf die Spitzenposition zeigt aber auch, dass es mit dem Sieg für Vielfalt und Chancengleichheit nicht weit her ist: Denn Bertelsmann ist mit seiner Bertelsmann Music Group (BMG) schon längst eine der bisher fünf großen Musikmaschinen, praktischerweise aber ein bisschen kleiner als Warner Music. Eine Zustimmung der EU-Kommission zum Kauf von EMI könnte unter Umständen also etwas leichter bewerkstelligt werden.

Das Resultat für den Rest der Branche und vor allem die kleinen, unabhängigen Labels bliebe also (fast) dasselbe. Zumal das Verbot der EMI-Fusion nur als Zugeständnis gilt, das Time Warner im Zusammenhang mit den ebenfalls bei der EU anhängigen Verhandlungen über den Zusammenschluss des Medienkonzerns mit dem Onlineriesen AOL in Kauf nehmen muss.