DER NEUE WELTBEVÖLKERUNGSBERICHT DER UNO: Frauen, ein ökonomischer Faktor
Die Gleichstellung von Frauen ist nicht nur eine Frage der Moral, sondern auch wirtschaftliche Notwendigkeit. Der gestern von der Bundesfrauenministerin vorgestellte neue Weltbevölkerungsbericht belegt das mit eindringlichen Zahlen. Es rechnet sich nicht, wenn Frauen schon als Teenager ungewollt schwanger werden, keine Schulen besuchen oder ärztlich schlecht versorgt werden. Länder, in den auf vier studierende Männer weniger als drei Frauen kommen, büßen ein Viertel des Bruttosozialprodukts ein. Und wenn lateinamerikanische Frauen den gleichen Lohn erhielten wie die Männer, stiege das Bruttosozialprodukt um fünf Prozent.
Diese Zahlen entkräften zwei Argumente. Zum einen machen sie deutlich, dass Frauenrechte mehr sind als bloße Almosen und freundliche Zugeständnisse der meist männlichen Politiker. Außerdem widerlegen sie die volkswirtschaftliche Weisheit der Neoliberalen, dass hohe Sozialstandards – zu denen die Frauenrechte gehören – den wirtschaftlichen Aufschwung eines so genannten Entwicklungslandes hemmten. Deren Argumentation lautet: Die Arbeit von schlecht bezahlten Frauen und Kindern helfe dem Land, Produkte billiger herzustellen als die Industrieländer. Damit habe es einen Handelsvorteil, der langfristig in wirtschaftlichen Aufschwung münde. Erst dann könne sich das – nunmehr wohlhabende – Land den Luxus sozialer Rechte leisten. Der neue Weltbevölkerungsbericht aber zeigt: Diese vermeintlich zwingende Kette ist wirklichkeitsferne volkswirtschaftliche Theorie. In unserer technisierten Welt sind nicht zufällig die Länder reich, die mit qualifiziertem Humankapital hoch spezialisierte Produkte herstellen und exportieren. So genannte Entwicklungsländer können es sich finanziell schlicht nicht leisten, die Fähigkeiten der Hälfte ihrer Bevölkerung in unqualifizierten Billigjobs oder inmitten einer unerwünschten Kinderschar verdorren zu lassen.
Doch auch Deutschland „ist kein Gleichstellungsparadies“, wie Ministerin Bergmann sagt. Ein Beispiel: Hierzulande gibt es prozentual gesehen weniger Ärztinnen und Professorinnen als im Maghreb. COSIMA SCHMITT
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