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EurokolumneGuter Bulle, böser Bulle

Jens Berger
Kolumne
von Jens Berger

Der IWF wirkt wie ein Chirurg, der einem Patienten mit Knöchelprellung das Bein amputiert hat. Seine Selbstgeißelung ist unglaubwürdig.

Lassen Sie mich durch, ich bin Chirurg, ich muss nach Griechenland. Bild: ap

S o viel Lob hat der IWF schon lange nicht mehr bekommen. Der Internationale Währungsfonds habe endlich aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, sagen selbst linke Kritiker. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Was ist dran, wenn die UNO-Organisation aus Washington die „Rettungsagenda“ der Troika attackiert? Wenig – schließlich ist der IWF Teil der Troika.

Tatsächlich ist die Strategie des Fonds an Doppelzüngigkeit kaum zu überbieten. Wenn es ernst wird, ziehen nämlich alle Mitglieder der Dreiertruppe an einem Strang. Ansonsten spielt der IWF „guter Bulle, böser Bulle“ – und beruhigt sowohl die geschundenen Seelen der Opfer der IWF-Politik als auch die zunehmend kritischen Mitglieder des Fonds.

Den Anfang der selbstkritischen IWF-Seifenoper machte Chefökonom Olivier Blanchard höchstpersönlich, als er Anfang des Jahres zähneknirschend gestand, man habe sich leider verrechnet – die den Eurokrisenstaaten verordneten Kürzungen seien doch keine Medizin, sondern Gift.

privat
Jens Berger

ist freier Journalist und politischer Blogger. Als Redakteur der NachDenkSeiten und Herausgeber des Blogs Spiegelfechter schreibt er zu sozial-, wirtschafts- und finanzpolitischen Themen.

„Negative Effekte unterschätzt“

Im Juni legte die IWF-Abteilung Selbstkritik nach und zählte auf, was bei der Griechenland-Rettung alles falsch gelaufen sei. Man habe die „negativen Effekte der Sparpolitik unterschätzt“. Die Erkenntnis ist nicht gerade originell, sämtliche Daten lassen gar keine andere Interpretation zu: Nicht Kürzungen, sondern Investitionen der öffentlichen Hand wären nötig, damit die Wirtschaft der geschundenen Krisenstaaten wieder anspringt. Unlängst erkannte das selbst IWF-Chefin Christine Lagarde an.

Ist die Selbstgeißelung glaubwürdig? Nein. Am Tag, als der Fonds seine Fehler in Griechenland öffentlich debattierte, veröffentlichte er seinen weniger öffentlichkeitswirksamen Griechenland-Bericht. Der verordnete erneut exakt die Politik, die das IWF-Ressort „Sonntagsreden“ als Gift eingestuft hatte.

Egal, ob es sich um Griechenland, Portugal oder Zypern handelt – sobald es bei den Troika-Verhandlungen um Konkretes geht, verfolgt der IWF exakt die Politik, die er an anderer Stelle kritisiert. Er wirkt dabei wie ein Chirurg, der einem Patienten mit einer Knöchelprellung das Bein amputiert hat.

Konfrontiert mit seinem Fehler, gesteht er, dass Amputationen sich im Nachhinein nun mal oft als Fehlentscheidungen herausstellen. Dabei bereitet er im OP-Saal nebenan bereits die nächste Amputation bei einem Patienten mit Knöchelprellung vor.

Deutschland, EU-Kommission und Europäische Zentralbank weisen, um im Bild zu bleiben, jeden Vorwurf eines „Kunstfehlers“ weit von sich und erklären, die Amputation des Beines sei – da wären sich alle Mediziner einig – eine zwingend notwendige Maßnahme bei einer Knöchelprellung. Die eigenen Prognosen würden überdies belegen, dass der Patient künftig mit einem Bein schneller laufen könne als mit zwei Beinen.

Ein Einäugiger unter den Blinden

Welchen dieser beiden Chirurgen würden Sie aufsuchen, wenn Sie sich den Knöchel prellen? Der IWF ist kein Einäugiger unter Blinden. Seine gespielte Selbstkritik ist Teil einer PR-Strategie. Innerhalb der IWF-Mitgliedsstaaten wächst nämlich die Kritik am Eurokrisen-Engagement des Fonds.

Erst am Mittwoch gingen elf lateinamerikanische Länder den IWF wegen seines Engagements in Griechenland harsch an. Es sei falsch, Athen zu päppeln. Die Stützmilliarden seien verloren, weil es dort zu wenig Reformen gebe.

Da ist es freilich hilfreich, die eigene Täterrolle zu kaschieren. Die Bürger der Länder, die Opfer der desaströsen Politik der Troika sind, werden es schon glauben.

Es ist wohl wie beim aus US-Krimis bekannten Spiel „guter Bulle, böser Bulle“: Der IWF tut innerhalb der Troika so, als habe er Verständnis für die Opfer und wolle eigentlich nur das Beste für sie. Gleichzeitig packen nebenan die Merkels, Schäubles, Rehns und Asmussens bereits ihre Folterinstrumente aus.

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7 Kommentare

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  • UF
    Ulrich Fiege

    Die faulen Griechen sinds gewesen? Wenn ich die Politik der letzten 10-15 Jahre verfolge ergibt sich dieses Bild, durch private Interessen aus Industrie und Wirtschaft, der ex Kanzler Schröder nannte das externen Sachverstand ins Boot holen, schreiben sich die Externen jetzt Aktuell ihre Gesetze selber, die Zerstörung unserer Sozialsysteme macht es notwendig das der 70 Jährige Rentner wieder arbeiten muss weil die Rente nicht ausreicht. Dass der Riesterrentner jetzt Fonds gebunden auch in die Rüstung investiert, erfreut allenfalls den Aktionär aber nicht Rentner oder Kriegstote.

     

    Wenn um bei Griechenland zu bleiben der Generaldirektor der Bank of Greece die Papiere zu den Beitrittskriterien mit Hilfe von Goldmann&Sachs frisiert und anschließend stellt sich heraus das der Mann auch Mitarbeiter bei Goldmann&Sachs ist und seit 2010 wieder Politiker als Chef der staatlichen Schuldenagentur in der Regierung Papandreou, ist das evt. ein unglücklicher Zufall aber zufällig wurden auch enorme Mengen an Rüstung gekauft seit deren ergaunerte EU Mitgliedschaft, nur die Amerikaner geben innerhalb der Nato mehr Geld für Rüstung aus. Das BIP der Griechen rundet das Bild dann ab und wurde vom Staat 1,0% und pro Jahr in das Gesundheitssystem gepumpt können sich Heute viele Griechen keine Krankheit mehr leisten denn der Staat pumpt Aktuell fast 4% in Rüstung. Das erfreut ebenso den Aktionär nur die Bürger in Griechenland sehen das anders. Durch die Knute des ESM wurde der griechische Staat zwangsverpflichtet die Wasserversorgung zu Privatisieren, weil Private es besser können und wenn das Leitungswasser demnächst von Coca Cola geliefert wird, haben bestimmt alle etwas davon?

  • Gute Bilder, doch was steckt dahinter?

     

     

     

    Hinter den Knochenprellungen lauert die Hydra der Korruption, die den Knochen leicht, oder schwerer, streift. Korruption, ein Erbe der früher so selbstverständlichen Pfründen der Mächtigen, fein nach »postmonarchistischem/r« Rang und Ordnung abgestuft – siehe u.a./z.B. auch Deutschland, immer noch, oder ein anderes (EU-)Land. Die Troika ist bloss eine andere Seite derselben Medaille.

     

     

     

    Wir sollen, dürfen beim (auch berechtigen) »Troika-Bashing« den grassierenden Missbrauch der öffentlichen Finanzen nicht vergessen, ihn entschieden anpragnern, und ja nicht aus den Augen lassen.

     

     

     

    Würden wir hier ansetzen, kämen die Troikas nie in unsere Häuser. Und die Steuern würden transparent abgerechnet – und auf 1/3 bis 1/4 sinken. Dafür mit mehrfachem Nutzen eingesetzt – wenn wir unter Nutzen die Menschen verstehen würden.

  • TJ
    Trapper John M.D.

    Wenn wir schon bei hrer chirurgischen Metaphorik bleiben müssen, gehts wohl weniger um die Amputation eines Beins, sondern ums Rausschneiden einer großen Warze aus der Fußsohle.

     

     

     

    Natürlich tut kurz danach das Auftreten mit dem Fuß etwas weh. Das wird aber wieder - gibts von Irland ins Baltikum genug gute Heilundverläufe als Beispiel.

     

     

     

    Trapper John M.D.

  • P1
    Psychonaut 13

    Herr Bergers Analyse trifft ins Schwarze. Nach Jahren der unvorstellbaren Zersetzung und Verelendung immer noch von "Dolchstosslegenden" zu faseln und dabei das Mantra vom Pferd à la "die sind alle selber schuld!" zu predigen ist nicht mehr tolerierbar. Diesen realitätsresistenten NeolibmerkelianerInnen ist tatsächlich nur noch mit einer Beinamputation zu helfen. Mit einer Transplantation des abgesägten Beines in die Echokammern ihrer Schädel bestünde zudem begründete Hoffnung auf grossflächige Regeneration der propagandageschädigten Hirnregionen.

    • @Psychonaut 13:

      ... statt absägen meines Beines bitte ich, ein letztes Mal, um eine Predigt von Pfarrer König...

  • Ja, ja: Die Griechen sind Opfer der Troika-Politik, das ist die neue Dolchstoßlegende.

     

     

     

    Die Griechen sind Opfer unsolidarischer Griechen, die keine Steuern zahlen, lieber in Berlin Wohnungen kaufen und nix aus ihrem Vermögen abgeben, obwohl sie es könnten.

     

     

     

    Macht doch mal eine Presse-Kampagne: Jeder Grieche soll seinem Staat nur 1/10 seines Vermögens abgeben. Und die Troika wäre sofort mangels Erfordernis aufgelöst...

    • UF
      Ulrich Fiege
      @Claudia Cometh:

      Der Facharbeitermangel in Deutschland ermöglicht es das faule Griechen, Spanier und Portugiesen in Deutschland arbeiten können, nach der Bundestagswahl werden dazu die Gesetze geändert und das bedeutet gleichzeitig, dass das heimische Lohngefüge nach der Agenda von Altkanzler Schröder noch einmal kräftig gedrückt wird, die Krise entsteht gerade erst würde ich sagen und wenn die Bankenabgabe auch in Deutschland zur Pflicht erkoren oder das Fracking auch ihren Garten nicht verschont, denn wie verpflichtend Eigentum sein kann werden wir noch erfahren, nur dann ist es uU zu spät. Um Herrn Schröder mache ich mir jedoch keine Sorgen, der hat wie so viele Arbeitnehmer in Deutschland 2-5 neben Jobs, unter anderem auch bei der Rothschild Investmentbank.