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Die Erotik der Ökosteuer

■ Kein „Autofrei“ in Bremen, dafür trafen sich Parkhausmanager aus ganz Europa / Umwelt- und Verkehrsverbände mit emissionsfreiem Spaßprogramm auf dem Domshof

2,6 Millionen. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: 2,6 Millionen. So viele Autos passen in die rund 2.600 Parkhausbetriebe, die sich in der „European Parking Association“ zusammengeschlossen haben. Gestern, am ersten „Europaweiten autofreien Tag“, trafen sich Parkhausmanager aus sechs Nationen in Bremen, um – man ahnt es schon – über Parkhäuser zu diskutieren. Ein Zufall? Ein böses Zeichen? Oder ein gutes?

12 Uhr, Ecke Fedelhören/Rembertiring. Helga Trüpel und Klaus Möhle von den Bremer Grünen bekleben eine Plakatwand. Nach und nach entsteht der Slogan „O.(e) K.(o)-Steuer für neue Energien“. Links davon wirbt eine gefährliche Blonde für eine Erotikmesse; zur Rechten Hundefutterpropaganda. („Endlich versteht mein Mensch, was ich will“). Immerhin: Das Plakat ist grün.

Wie schön wäre es doch, wenn auch die Menschen in den zahlreichen Autos auf dem Rembertiring verstehen würden, dass die Ökosteuer eine gute Sache ist, mag Helga Trüpel gedacht haben. Und keine K.O.-Steuer, wie die CDU glauben machen will. Schade nur, dass die motorisierte Bevölkerung das Plakat gar nicht sehen kann, weil es im falschen Winkel zur Fahrbahn steht. Also, liebe automobile Leser: Langsam an die beschriebene Stelle heranpirschen, bis die Ampel Rot zeigt, und dann den Kopf nach rechts verrenken.

Die Verkehrsreduzierung, die die ungeliebte Ökosteuer bewirken soll, hätte gestern in weit größerem Maßstab stattfinden können: „In die Stadt – ohne mein Auto“ hieß es in 68 deutschen und in hunderten von anderen europäischen Städten. In Bremen, dass an der Aktion nicht teilnahm, war davon nichts zu spüren. Ein paar Stichproben: Der Verkehr laufe wie immer, und auch der Parkplatz vor seinem Bürofenster sei gut besetzt, sagt Polizeisprecher Ronald Walther. Autofreier Tag? „Das klappt in Bremen wohl nicht so richtig.“ Recht hat er.

Auch bei den Tankstellen fließt der Sprit, ohne auf irgendwelche Hindernissezu stoßen. „Betrieb wie gewohnt“, so die Diagnose einer DEA-Mitarbeiterin. Einige Automobilisten ahnen zumindest, dass sie sich an diesem Freitag, den 22. September, nicht wirklich p.c. durch die Lande bewegen: „Oh!“, stößt eine bekannte Anti-Fluglärm-Aktivistin hervor und spricht weiter in ihr Handy, „da haben sie mich aber an meiner Achillesferse erwischt“. Ein Auto brummt auch ganz ordentlich.

16 Uhr, Domshof. „Move parade“ haben die Umwelt- und Verkehrsverbände ihre Ersatzveranstaltung zum autofreien Tag genannt, der von CDU und SPD gekippt worden war. Mit einem Spaßprogramm feiern sie die „good vibrations motorfreier Mobilität“. Moving-area, so möchte man sagen, ist die City. Gleichzeitig die Klage: Die Stadt Bremen nimmt ihre Mitgliedschaft im Klimabündnis nicht ernst genug. Nach und nach sammelt sich auf dem Domshof alles, was rollt: Rikschas, Las-tenräder, die „Liegeradfraktion“, Fahrradkuriere, BMX-Räder, Rad-Anhänger, viele Menschen mit Rollen unter den Füßen. Zumindest hier: low emissions. Oder sogar zero? Dazu gibt's Samba.

Brepark-Geschäftsführer Peter Rienäcker ist indessen zu der Erkenntnis gelangt, dass auch Parkhäuser segensreich für die Umwelt sein können. Durch intelligente Verkehrsleitsysteme könne man den leidigen Parksuchverkehr reduzieren, so der Vize der European Parking Association. Man müsse ja „autofrei“ nicht wörtlich nehmen. Dass das Arbeitstreffen der Parking Association ausgerechnet am „Europaweiten autofreien Tag“ stattgefunden hat, erklärt Rienäcker, sei aber ein absoluter Zufall gewesen.

hase

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