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Gerhard, Gartenzwerge und Girlanden

In der Weddinger Kleingartenkolonie Togo erhielt Kanzler Schröder die „Wilhelm-Naulin-Medaille“. Jetzt ist er Berlins oberster Laubenpieper

Die Beete sind geharkt, die Buletten gewürzt, die Kinderchor-Kehlen glockenrein eingesungen. Kesse Gänseblümchen strecken ihre Blütenkelche, wollen weiße Strahlesternchen sein in der windwogenden Menge der samtig grünen Grashalme. „Der Kanzler kommt“ raunt es durch die Weddinger Schrebergarten-Kolonie „Togo“: Gerhard Schröder ist ein Weltstaatsmann, ein Ostdeutschland-Reisender. Und seit gestern Berlins oberster Kleingärtner.

Mitte des 19. Jahrhunderts erfand der Leipziger Arzt Daniel Gottlieb Moritz Schreber die grünen Teilzeitheime als Armengärten, in denen Arbeiter ihre staubigen Lungen freiatmen konnten. Nun nutzt sie Schröder als Chance, des Gartenhäuschenbauers Stimmzettel zu erobern. Denn immerhin: In den 880 Berliner Kleingartenkolonien harken, gießen und zupfen Hunderttausende. Und bundesweit gibt es über eine Million Laubenpieperheime.

Schröder räuspert die Blütenpollen aus seiner Kehle: „Ich habe schon lange ein Herz für das Kleingartenwesen.“ Dann nimmt er das Willkommensgeschenk entgegen: einen Kürbis.

Den Laubenpiepern hüpft indes das Herz: Schröder sei „nicht so überheblich“, lobt Peter Ehrenberg, Vorsitzender der Kolonie. „Gut, dass der Kanzler mal dahin kommt, wo die normalen Leute sind“, findet auch Freizeitgärtnerin Irene Ritter. Und Katharina Moritz, 86, die seit 60 Jahren auf Togos Parzellen schrebergärtnert, freut sich: „Ist endlich mal Leben hier.“

Außerdem sei der Kanzler „ein ansehnlicher Kerl, da können wir nicht meckern“, ergänzt Erich Märtens. Dass Schröder komme, „wertet unsere ganze Kolonie auf“. Und damit es dem Kanzler auch gefällt in den Weddinger Gärten, ist Märtens schon seit Stunden unterwegs und hat rote Luftballons in die Blumenkästchen gesteckt. Weil die so adrett aussehen zu den Glitzergirlanden und Fähnchen, die den Gitterzaun rechts und links der Kanzlerpromenade umflattern.

Schließlich hat der Kolonie-Vorsitzende Ehrenberg „alles, was da kreucht und fleucht“, eingeladen. 350 Gäste meint er damit und die vielen Dutzend Journalisten, die sich an die Schreber-Lauben pirschen, Alt-Gärtnerinnen mit Kopftüchern filmen und den Gartenzwerg, der das Schild „50 Jahre Deutschland – Togo, 1939 – 1989“ in der runzeligen Hand hält.

Sein Bekenntnis zur domestizierten Flora verdankt Schröder Gattin Doris: Gerhard entspanne sich richtig prima, sobald er im Kleingarten eines Freundes in der Ricklinger Masch sitze, verriet sie unlängst. Die Togoer Kleingärtner hörten’s und beschlossen: Der Mann ist würdig, die „Wilhelm-Naulin-Medaille“ zu tragen, die ihn zum Chef-Hobbygärtner der Hauptstadt kürt.

Am Schluss durfte Schröder noch selber Togo-Erde durch die manikürten Finger rieseln lassen und ein Apfelbäumchen pflanzen. „Wir wollten doch sehen, dass er es ernst meint mit der Liebe zum Schrebergarten“, sagt Edgar Thomas.

Es zirpt der Zilpzalp, es zwischert der Buchfink, die Abendsonne gießt ihr weiches Licht über glückstrahlende Kleingärtner. Edgar Thomas schwärmt: „Der Kanzler schwebt nun über uns, und so kann uns nichts passieren. Ich glaube, dass wir einen Freund gewonnen haben.“ Gerhard Schröder jedoch ist längst zum nächsten Termin geeilt, und nur noch ein paar Gänseblümchen spüren in ihren zertretenen Blütenköpfen: Auf mir stand einst der Kanzler.

COSIMA SCHMITT

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