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Die Ruhe vor dem großen Proteststurm?

Fast leer blieben bis gestern die Workshops und Camps für Demonstranten, fast leer blieb die Zeltstadt im abseits gelegenen Stadion. Viele IWF-Gegner nutzten das Wetter zum Sonnenbaden. Trotzdem waren mehrere getrennte Demonstrationen in der Stadt unterwegs

PRAG taz ■ Noch sind wenig Demonstranten in Prag, aber die Koordinierungsstelle der Proteste bleibt optimistisch. Morgen erwarte man nach wie vor 20.000 IWF- und Weltbankgegner zur Hauptdemo, sagte eine Sprecherin der „Initiative gegen ökonomische Globalisierung“ (Inpeg) der taz.

Gestern fügte sich eine Trauerprozession in die Reihe der Kundgebungen ein. Die von kirchlichen Organisationen getragene Kampagne „Jubilee 2000“ gedachte mit dem Zug auf den Letna-Hügel der 19.000 Kinder, die nach UN-Angaben täglich in den ärmsten Ländern durch die Folgen der Verschuldung sterben. Auf dem Rückweg in die Stadt verwandelte sich der von Pfarrern in Talaren angeführte Zug in eine lautstarke Demonstration. Die Kapelle wechselte zu „When the saints go marching in“, und die Demonstranten skandierten immer wieder: „Streicht die Schulden jetzt!“

Kurz zuvor war bereits ein spontaner Demonstrationszug junger Leute mit Trillerpfeifen in Richtung Innenministerium vorbeimarschiert. Sie protestierten gegen das Einreiseverbot von 17 Italienern. Weil diesen an der tschechisch-österreichischen Grenze die Weiterreise verwehrt worden war, weigerten sich die übrigen tausend IWF- und Weltbankgegner des Sonderzugs, weiterzufahren. Seitdem steht der ganze Zug in Dvoriste an der Grenze.

Bereits am Samstag waren tausend Personen in einer unangemeldeten Demo durch die Innenstadt gezogen. Die zumeist Autonomen aus Tschechien und Deutschland wandten sich gegen einen Marsch von hundert Neonazis auf den Letna. Ausschreitungen gab es nicht. Fast zeitgleich demonstrierten 1.500 Kommunisten, die mehrheitlich IWF und Weltbank reformieren wollen. Unter den tschechischen Altkommunisten, Mitgliedern der deutschen Parteien PDS, DKP und MLPD, Sozialisten vom Balkan, radikalen griechischen und belgischen Gewerkschaftern und britischen Trotzkisten gab es fast niemanden, der nicht Politpostillen verteilte oder rote Transparente hielt.

Die in Erwartung vieler Demonstranten eigens eingerichteten Camps blieben weitgehend leer. Ins abseits gelegene und leicht abzuriegelnde Strahov-Stadion, wo 15.000 Übernachtungsmöglichkeiten in Zelten bereitstehen, haben sich erst hundert Globalisierungsgegner verirrt. Auch auf die Libenský-Halbinsel in der Moldau, wo Inpeg zwei alte Werfthallen als Treffpunkt und Trainingszentrum zur Verfügung stehen, verliefen sich am Samstagnachmittag nur wenige Dutzend Aktivisten. Hier sollen eigentlich Workshops stattfinden für gewaltfreie Aktionen, erste Hilfe und zum Aufbau von Kommunikationsstrukturen zwischen den in Bezugsgruppen organisierten IWF-Gegnern. Die meisten nutzten das sonnige Wetter zum Sonnenbaden und erholten sich von den Strapazen der Anreise.

SVEN HANSEN

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