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: Öl auf Gores Mühlen

George W. Bush hat ja Recht: Natürlich ist Präsident Bill Clintons Freigabe von 30 Millionen Barrel Öl aus der strategischen Reserve der USA ein politisches Manöver zur Unterstützung seines wahlkämpfenden Vize Al Gore. Nur: Es funktioniert. Da kann Bush jr. der Regierung noch so oft Konzeptionslosigkeit vorwerfen und auf die zu große Importabhängigkeit der US-Energieversorgung hinweisen: Zunächst einmal signalisieren Gore und Clinton mit ihrem Schritt, dass sie in der Lage sind, auf die Bedürfnisse der Mittelklasse einzugehen – und das zur Not auch gegen die Interessen der großen Ölkonzerne, mit denen Bush und sein Vizepräsidentschaftskandidat Dick Cheney geschäftlich eng verwoben sind.

KOMMENTARvon BERND PICKERT

In den USA kostet der Liter Benzin derzeit umgerechnet etwa 95 Pfennig. Den meisten US-Amerikanern in ihren Sprit fressenden Autos und ihren Heizöl verbrauchenden Pressspanhäusern ohne jede Wärmeisolierung ist das viel zu viel. Eine Regierung, die in einer solchen Situation Handlungsfähigkeit zeigt, kann im Wahlkampf also nur Punkte sammeln.

Ob die Maßnahme aber auch auf dem Ölmarkt langfristige Erfolge zeigen wird, ob die auf 95 Prozent ihrer Kapazität arbeitenden US-Raffinerien überhaupt in der Lage sind, das zusätzliche Öl zu verarbeiten, ob im Frühjahr, wenn die Reserven wieder aufgefüllt werden sollen, der Preis wieder anzieht – all das ist zunächst nebensächlich. Gefährlich für Clinton/Gore würde es, wenn die Opec-Länder auf ihrem Gipfel diese Woche in Caracas mit einer Drosselung der Produktion reagierten, um so den US-Vorstoß auch kurzfristig auszuhebeln. Damit aber ist kaum zu rechnen.

Die Unterstützung der Verbraucher bei der Heizölversorgung, die Clinton gleichzeitig angekündigt hat, ist gemeinerweise gerade in einigen „Swinging States“ besonders bedeutsam – also in Bundesstaaten, in denen sich Bush und Gore im Wahlkampf Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Hier punktet nun Gore, und der angeschlagene Bush, der eigentlich in die Offensive kommen müsste, zieht den Kürzeren.

Freilich: Mit langfristiger Überlegung hat das alles nichts zu tun – weder ökonomisch noch ökologisch. Es liegt an Gore, als gewählter Präsident ab Januar 2001 seinen umweltpolitischen Background wieder zu entdecken und auf eine Senkung des Energieverbrauchs in den USA hinzuarbeiten. Die Chancen dafür stehen nach den Erfahrungen mit den hohen Ölpreisen nicht mehr ganz so schlecht.

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