: Stadion: Fass mit abgesenktem Boden
■ Der geplante Ausbau des Weserstadions zur Fußball-WM 2006 ist nur durch eine staatliche Großinvestition zu finanzieren
Günter Vornholz ist Branchenanalyst der NORD/LB in Hannover mit dem Schwerpunkt Freizeitmarkt, Veranstaltungshallen und Stadien. Der tazerklärte er, unter welchen Umständen sich Aus- oder Neubauten von Stadien rentieren.
taz: Wir Bremer sind mächtig stolz, dass unser Stadion WM-reif wird. Nun kommen Leute aus Hannover und spucken uns in die Suppe.
Günter Vornholz: Das will ich gar nicht. Es besteht allerdings eine Konkurrenz zwischen den 16 Bewerberstädten. Maximal zwölf werden WM-Austragungsort. Jetzt muss ausgesiebt werden. Fest stehen Berlin, Hamburg, Dortmund, Gelsenkirchen, München, Stuttgart, Frankfurt und Leipzig. Dann gibt es im Norden noch zwei Bewerber, Bremen und Hannover. Wahrscheinlich werden aber nicht beide Städte berücksichtigt. Es sei denn, bei anderen Bewerbern scheitert die Finanzierung.
In Hannover spielt doch nur ein Zweitliga-Club ...
Beim Testspiel der Nationalmannschaft hat Hannover aber neulich gezeigt, dass es ein begeisterungsfähiges Publikum hat.
In Bremen wird argumentiert, weil das Weserstadion in die Präsentation für die FIFA aufgenommen wurde, würde es auch berücksichtigt ...
Das ist die Hoffnung der Bremer.
Bremen wurde bei der WM '74 und der EM '88 übergangen ...
Das ist ein gutes Argument.
Fällt die Entscheidung über die WM-Spielorte erst, wenn die Umbauten schon in Gang sind?
Die Entscheidung fällt 2002/03. Da sollten die Investitionsentscheidungen schon gefallen sein. Sonst wird es für Planung und Finanzierung sehr knapp.
Ist der Ausbau des Weserstadions seriös kalkuliert?
Soviel ich weiß, liegt noch gar kein Finanzierungskonzept vor. Kosten soll es laut Kicker 26 Millionen Mark. Die Frage ist, ob die Stadt die Finanzierung direkt macht oder über den Pächter, die Bremer Sport- und Freizeit-GmbH. Die Stadt könnte die Neuverschuldung erhöhen, ohne das auf die Nutzer des Stadions umzulegen. Eine GmbH müsste dagegen die Miete erhöhen, um die Investitionen zu refinanzieren. Das ist problematisch, weil das Zuschauerpotenzial von Werder Bremen begrenzt ist. Nur bei Top-Spielen kämen mehr Fans. Die größten Chancen der Einnahmensteigerung sehe ich beim VIP-Bereich, aber den hat Werder als Trendsetter schon sehr ausgereizt. Deshalb ist wohl durch Fußballspiele höchs-tens ein Sechstel der Kapitalkosten für den Ausbau wieder einzuspielen.
Gibt es Alternativen?
Mehr andere Veranstaltungen. Aber die Zahl der Rockkonzerte und Kirchentage ist begrenzt, die Konkurrenz hart: Hannover liegt günstiger, Hamburgs neues Stadion ist überdacht. Verkehrsmäßig sind beide Stadien besser angebunden.
Was ist mit den regionalwirtschaftlichen Effekten?
Die gibt es ohne Zweifel. Schließlich geben Fans im Jahr 600 Millionen Mark bei Fußball-Bundesligaspielen aus. Fragt sich nur, wo das Geld hingeht. Die Fans tanken vielleicht in Delmenhorst ...
Was halten sie von der Paderborner Studie, nach der die WM einzelnen Städten einen merklichen Aufschwung verheißt?
Das ist volkswirtschaflich sauber untersucht. Zum Beispiel für die regionale Bauindustrie kann die WM positive Effekte bringen. Und natürlich werden eine Million WM-Besucher auch einiges Geld hierlassen. Aber davon profitieren vor allem Hotels und Gastronomie. Die Lasten tragen alle Steuerzahler.
Werden die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert?
Dieser alte linke Spruch könnte hier tatsächlich Gültigkeit haben.
Die in Bremen geplanten Investitionen sind moderat im Vergleich zu den 300 bis 500 Millionen Mark in anderen Städten ...
Aber dort wird meist privat finanziert. Die neuen Stadien sollen sich durch attraktive Nebennutzungen und neue VIP-Bereiche refinanzieren. Nur über eine Fußball-WM kann man ein neues Stadion nicht finanzieren. Das ist ein Trugschluss.
Fragen: K. W. und jank
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