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ZWEI JAHRE NACH DER WAHL: POLITIK WIRD IMMER KURZATMIGERWarum nicht eine TED-Umfrage?

Die Halbzeit der Legislaturperiode ist traditionell ein Anlass für Leitartikel. Es gilt, die Arbeit der Bundesregierung zu bewerten und daraus Prognosen für den beginnenden Wahlkampf und die weitere Zukunft abzuleiten. Wie kommt es bloß, dass einem dazu so gar nichts einfallen will? Es hat sich doch in den letzten zwei Jahren genug getan.

Die Steuerreform ist unter Dach und Fach, die Rentenreform auf gutem Wege. Das Staatsbürgerschaftsrecht wurde ein bisschen geändert. Der Ausstieg aus der Atomenergie wird vollzogen, sobald sich diese Form der Energieerzeugung betriebswirtschaftlich endgültig nicht mehr rechnet. Deutsche Soldaten haben einen Angriffskrieg geführt, ohne UN-Mandat. Der geplante Umbau der Bundeswehr soll künftig Militärinterventionen erleichtern, falls krisenhafte Zuspitzungen irgendwo auf der Welt deutsche Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen berühren.

Arbeitslosigkeit und Euro sinken. Die Inflation steigt. Eine Ökosteuer wurde eingeführt, an der auch festgehalten wird. Ebenso wie an den Subventionen für Autofahrer. Die Zuwanderung nützlicher Ausländer soll erleichtert werden. Dafür wird das Asylrecht vermutlich weiter eingeschränkt. Die Stellung homosexueller Paare soll verbessert werden. Bei der Entschädigung von Zwangsarbeitern wurde eine Einigung erzielt.

Die Bundesregierung ist fleißig gewesen. Eigentlich böte ihre Arbeit genügend Stoff für eine Zwischenbilanz – wenn einer solchen Analyse noch Bedeutung zukäme. Das ist nicht der Fall. Jahrelang hatte eine Minderheit der Bevölkerung das herbeigesehnt, was sie das „rot-grüne Projekt“ nannte. Die Mehrheit der Deutschen fürchtete hingegen eine solche Koalition wie einen Umsturzversuch. Beide Seiten sahen sich in ihren Erwartungen getäuscht. Das Bündnis zwischen Sozialdemokraten und Grünen erwies sich schnell als Exekutive, die dem tatsächlichen oder vermeintlichen Sachzwang den Vorrang vor jedem programmatischen Prinzip einräumte. Ganz wie die Vorgänger.

Alters- und Amtsstarrsinn hatten es Helmut Kohl am Ende seiner Regierungszeit unmöglich gemacht, ihm verbliebene Möglichkeiten politischer Gestaltung zu nutzen. Das führte zum quälenden Eindruck des Stillstands. Aber hätte Wolfgang Schäuble als Kanzler einen im Kern anderen Kurs eingeschlagen als Gerhard Schröder? Hinsichtlich mancher Details, gewiss. Das Staatsbürgerschaftsrecht wäre unter Schäubles Ägide wohl ebenso wenig geändert worden wie die rechtliche Stellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften. Vielleicht hätte Schäuble sich wegen des Widerstandes der Opposition auch am Kosovo-Krieg nicht beteiligen können. Fällt jemandem sonst noch etwas ein?

Die Volksparteien unterscheiden sich längst nicht mehr grundsätzlich voneinander. Diese Entwicklung liegt nicht zuletzt an der immer engeren Verzahnung supranationaler Organisationen wie EU und Nato und dem beständig kleiner werdenden nationalen Handlungsspielraum. Da spielen dann übergeordnete Ziele wie etwa die Demokratisierung der Gesellschaft oder die Rückbesinnung auf alte Werte eine bestenfalls noch virtuelle Rolle. Wenn die eigene Politik aber nicht mehr mit der großen Linie gerechtfertigt werden kann, dann muss in jedem Einzelfall um die Zustimmung der Mehrheit gerungen werden. Das ist eine riskante Strategie.

Vor der Sommerpause hatte es so ausgesehen, als ob sich Bundeskanzler Gerhard Schröder gelassen auf die nächsten Bundestagswahlen konzentrieren könnte. Seine Umfragewerte waren glänzend. Dann explodierte der Benzinpreis. Schon ist alles anders. Die Kurve der CDU steigt sprunghaft in die Höhe. Selbst die glühendsten Anhänger der Union können das allerdings derzeit kaum auf ein überzeugendes politisches Konzept zurückführen.

Umfragen und selbst Wahlen werden von immer größeren Teilen der Bevölkerung dazu genutzt, Politiker zu bestrafen – sei es für die Spendenaffäre oder für die Ökosteuer. Ablehnung, nicht Zustimmung spielt die tragende Rolle. Wer Wahlen gewinnen will, muss vor allem danach trachten, möglichst wenige Leute zu verärgern. Wenn jedoch vor allem um kurzfristige Unterstützung geworben werden muss, kann keine langfristige Politik betrieben werden. Als fast einziges Argument gegen die Verlagerung des Güterverkers von der Straße auf die Schiene wird die Tatsache ins Feld geführt, dass ein solcher Strukturwandel nicht von heute auf morgen zu vollziehen ist. Wohl wahr. Dann lieber gar nicht?

Die konkrete Arbeit der rot-grünen Regierung muss keineswegs der Faktor sein, der die nächsten Wahlen entscheidet. Über das Ergebnis dürfte statt dessen das Thema entscheiden, das gerade die kurzatmige politische Diskussion beherrscht. Wäre es vor diesem Hintergrund nicht sinnvoller, die Bundesbürger per TED abstimmen zu lassen statt sie an die Urnen zu schicken? Billiger wäre es jedenfalls allemal. BETTINA GAUS

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