: Hilfe, wir werden gerettet! Teil 5: Argentinien
Das südamerikanische Land hat seine Scheu gegenüber dem Währungsfonds abgelegt und will jetzt Klassenprimus werden. Die Bevölkerung bleibt dabei auf der Strecke
BUENOS AIRES taz ■ Als 1984 eine Delegation des Internationalen Währungsfonds (IWF) dem argentinischen Wirtschaftsminister Bernardo Grinspunin in Buenos Aires einen Besuch abstatten wollte, griff der zum Briefpapier und schrieb, dass er nicht daran denke, die Entsandten des IWF zu empfangen. Er sei „nicht dazu bereit, sein Haushaltsdefizit zu reduzieren“, und kündigte an, die Zahlung der Außenschuld von der Bilanz des Außenhandels abhängig zu machen. Punkt.
Heute sorgen derlei Anekdoten für Heiterkeit bei den Beamten in der Kaffeeküche des Ministeriums. Argentinien bemüht sich, Klassenprimus beim IWF zu werden. Der neue Wirtschaftsminister José Luis Machinea lässt das teure Porzellan decken, wenn sich eine IWF-Delegation anmeldet.
Die argentinische Außenschuld hat sich während der Regierungszeit von Präsident Carlos Menem (1990 – 2000) auf 200 Milliarden Dollar verdreifacht. Dies entspricht in etwa dem Wert der argentinischen Exporte von acht Jahren. Und die Schulden steigen weiter, weil die Zinssätze gestiegen sind und weil das Loch im Staatshaushalt mit neuen Krediten gestopft werden musste. Seit 1990 wurden alle staatlichen Firmen privatisiert, um die Schulden zu bezahlen: Bahn, Telefon- und Fluggesellschaft, Mineralölkonzern, alles gehört ausländischen Konzernen. Für das Budget im laufenden Jahr wurden die Gehälter der Staatsbediensteten und die Renten eingefroren und die Steuern für Besserverdiener erhöht. Trotzdem musste Machinea vor wenigen Wochen dem IWF melden, dass das vereinbarte Defizit nicht erfüllt werden könne.
Die jährlichen IWF-Verhandlungen sind wegweisend für den argentinischen Staatshaushalt und bestimmen die Wirtschaftspolitik. Im Staatshaushalt für 2001 muss die Regierung 13 Milliarden Dollar für die Begleichung der öffentlichen Schuldzinsen locker machen. Dies entspricht etwa 20 Prozent der öffentlichen Ausgaben.
Die Rezepte des IWF haben Argentinien in eine Sackgasse geführt. Die Verbraucherpreise liegen auf dem Niveau von Deutschland, während sich der Durchschnittslohn bei um die 650 Dollar eingepegelt hat. Seit 1990 folgt die Regierung im zweitgrößten südamerikanischen Land blind den Vorgaben aus Washington. Der argentinische Peso ist seit 1991 an den Dollar gekoppelt. Damit konnte die Ära der Hyperinflation beendet werden. Aber gleichzeitig sinken die Industrieproduktion und Exporte, auch wenn im ersten Quartal dieses Jahres ein Anstieg vermeldet werden konnte. Argentinien ist zu teuer für die dringend benötigten Investoren aus dem Ausland. Sie zieht es in das billigere Brasilien. Ein Festhalten am starken Peso aber führt mittelfristig dazu, dass das das Land weiter ein Land mit Schwerpunkt auf der Landwirtschaft bleibt.
INGO MALCHER
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