: MunkelnWas machen Sie im Dunkeln?Töten
■ Künstlerförderung? Museen? Galerien? Im kroatischen Dubrovnik gibt es das seit Ende des Kriegs nicht mehr. Slaven Tolj ist dennoch Künstler geworden. Im Sanatorium Bremen zeigt er, dass die Zivilisation im Dunkeln entsteht
An. Aus. Hell. Dunkel. Mehr nicht.
Slaven Toljs Installation ist sehr puristisch, sagt Kuratorin Dorothee Richter. Kann man so sagen: Puristischer als das, was derzeit in der Galerie im KünstlerHaus am Deich zu sehen ist, ist wohl nur noch das Nichts. Etwas mehr als nichts sind zwei Metallständer an den gegenüberliegenden Seiten eines völlig abgedunkelten Raumes, an deren Spitze jeweils eine Lampe befestigt ist. Bewegt man sich auf einen Ständer zu, geht die Lampe an; bewegt man sich weg, geht sie wieder aus. An. Aus. Hell. Dunkel. Mehr nicht.
Slaven Tolj kommt aus Kroatien, genauer aus der Hafenstadt Dubrovnik, wo er vor 36 Jahren geboren wurde. Bis zum Herbst 1991 war Dubrovnik die touristische Perle der Adria. Dann kesselten serbische und montenegrinische Verbände die Stadt ein. Monatelang gab es weder Strom, noch Trinkwasser, noch Nahrung für die 50.000 EinwohnerInnen. Stattdessen hagelte es Tausende von Granaten aus den umliegenden Gebirgszügen ins bewohnte Tal. Es war Krieg.
Krieg ist jetzt nicht mehr. Das alte Dubrovnik ist auch nicht mehr. Aus der ehemaligen TouristInnenhochburg wurde ein kleines Städtchen im äußersten Süden eines neuen Staates namens Kroatien, das um sein ökonomisches Überleben kämpft. Gerade mal 8.000 Menschen haben einen Job. Touristen kommen kaum noch. Und auch im zehnten Jahr nach dem Krieg weiß niemand so recht, wo in diesem eigentümlichen Nebel der sichere Halt ist, den es braucht, um wieder eine funktionierende Gesellschaft aufzubauen.
An. Aus. Hell. Dunkel – das, glaubt Slaven Tolj, ist die Lage Dubrovniks. Zwei Menschen stehen sich gegenüber. Wenn sie aufeinander zugehen, erlischt das Licht. Wo die Nähe am größten ist, ist es die Dunkelheit auch. Aber: Im Dunkeln lässt sich's auch munkeln! Nicht die schlechteste Alternative zum tödlichen Schlag auf den Hinterkopf des Serben, Kroaten, Muslim, Christen, Bosnier und wer sonst noch in der Nachbarschaft lebt. Ist im Dunkeln eh egal.
Dubrovnik, sagt Tolj, ist anstrengend. Das Einzige, woran kein Mangel herrscht, sind Probleme – ein Klima, wo Kultur schnell zum verzichtbaren Luxus erklärt wird. Die Menschen kommen trotzdem in das alte Krankenhaus, in dem Tolj mit seiner Frau das Kulturzentrum „Lazareti Art Work-Shop“ betreibt. Es ist das einzige weit und breit. Theater, Film, moderne Kunst, Politik, Pädagogik, kurzum alles, was es braucht, wenn eine verunsicherte Gemeinschaft versucht, sich die fundamentalen Regeln des Zusammenlebens zu buchstabieren, hat hier seinen Ort. Eine existentielle Situation, die gerade die KünstlerInnen herausfordert, sagt Tolj. Museen, Theater, Galerien, Kulturförderung – in Dubrovnik Fehlanzeige. Ohne jegliche Infrastruktur aber, die den KünstlerInnen zumindest eine gewisse logistische und ökonomische Basis verleiht, bleibt nur eines: dass die Menschen das „Lazareti“ besuchen – und wiederkommen. Das ist anstrengend. Aber auch ehrlich. „Wir werden nur Teil der Gemeinschaft, wenn wir zeigen können, warum wir Teil der Gemeinschaft sein müssen“, sagt Slaven Tolj.
Sein Besuch in Bremen gleiche dagegen dem erholsamen Aufenthalt in einem Sanatorium: rosige Gesichter, Häuserfronten ohne Bombenlöcher, eine florierende Kulturszene mit zahlreichen großen Einrichtungen. Der documenta-X-Teilnehmer Tolj, der noch vor zehn Jahren als Soldat im Granatenhagel seine Stadt verteidigt hat, findet solche Zustände keineswegs dekadent, sondern erstrebenswert. Doch interessanter sei momentan das Leben in Dubrovnik, weil eine ganze Stadt in den Trümmern der Zivilgesellschaft nach neuen Fundamenten sucht.
„Kino Jadran“, Slaven Toljs Installation im KünsterHaus am Deich, erzählt von diesen Suchbewegungen, zeigt die jüngste Geschichte der Perle der Adria in puristisch-altmodischen Schwarz-weiß-Bildern. Aus. An. Dunkel. Hell. Franco Zotta
„Kino Jadran“ ist bis zum 22.10. zu sehen. Öffnungszeiten: Di-Fr u. So, 15-18 h. Infos: Tel.: 50 85 98; www.kuenstlerhausbremen.de
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