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Die grüne Alternative Amerikas

Der US-Präsidentschaftskandidat Ralph Nader füllt die Säle mit jungen Leuten und einem politischen Programm, das die linke Wählerschaft fasziniert. Trotzdem soll er bei der ersten TV-Debatte am kommenden Dienstag nicht dabei sein

Die liberal gesinnten Wähler Ralph Naders könnten den Demokraten Al Gore die Präsidentschaft kosten

aus Washington BERND PICKERT

Er weiß, dass er keine Chance hat. Gerade mal 2 Prozent zeigen die jüngsten Umfrageergebnisse für Ralph Nader, den grünen Kandidaten zur US-Präsidentschaftswahl am 7. November. Das ist zwar mehr, als der zweite „Third Party“-Kandidat hat, der Rechtsaußen Pat Buchanan von der Reform Party. Doch eine ernste Bedrohung für Gore ist Nader nicht, zumindest auf Landesebene.

Dennoch sieht Nader Erfolge für sich: „Wir können nicht verlieren. Überall im Land fangen junge Leute an, politische Aktivitäten zu entfalten und sich zu interessieren. Die Bewegung wächst.“ In Madison in Wisconsin kamen vergangene Woche 1.800 Zuhörer, um ihn reden zu hören. In Portland in Oregon waren es 10.000 Menschen. Und in Minneapolis zahlten am vergangenen Wochenende 12.000 Zuhörer je 7 Dollar Eintritt, um bei Naders Auftritt dabei zu sein. So viele junge Leute würden der demokratische Kandidat Al Gore oder sein republikanischer Konkurrent George Bush jr. nicht einmal in einen Saal bekommen, wenn sie die Menschen bezahlen würden, bemerkte ein Kolumnist der New York Times.

Jetzt bekommt der 66-jährige ehemalige Verbraucherschützer Ralph Nader sogar prominente Unterstützung: Anfang der Woche gründete sich ein 100-köpfiges „Bürgerkomitee für Nader“, dem sich Musiker wie Michelle Shocked, linke Wissenschaftler wie Norman Birnbaum und Noam Chomsky, Polit-Folksänger Arlo Guthrie und Pete Seeger angeschlossen haben. Sie alle fordern, Nader bei der ersten landesweiten TV-Debatte der Präsidentschaftskandidaten am Dienstag in Boston zuzulassen. Doch die Debattenkommission verlangt, ein Kandidat müsse über einen längeren Zeitraum mindestens 15 Prozent Zuspruch in den Umfragen haben, um zugelassen zu werden. Nur einmal nahm bislang ein Kandidat teil, der nicht dem Zweiparteiensystem entsprang: 1992 diskutierte der Unternehmer Ross Perot mit Präsident George Bush sen. und Herausforderer Bill Clinton. Perot präsentierte sich gut, seine Umfragewerte stiegen. Den Fehler, meint Nader heute, will die von Demokraten und Republikanern kontrollierte Kommission nicht noch einmal machen.

Tatsächlich ist Nader politisch eine wirkliche Alternative: Er ist der einzige Kandidat, der konsequent gegen die Todesstrafe eintritt, der Al Gore an seine Vergangenheit als Umweltpolitiker erinnert und sich für einen radikalen Ausbau der Solarenergie einsetzt. Nader will den Militärhaushalt um ein Drittel senken, die Atomwaffenarsenale komplett abbauen und tritt für eine öffentliche Wahlkampffinanzierung ein, um den Einfluss der Großkonzerne zu senken.

Dennoch fehlt es Nader am Wichtigsten. Seine grüne Partei ist noch im Aufbau, die Medien ignorieren seinen Wahlkampf weitgehend, und vor allem fehlt es an Geld, um mit den teuren TV-Spots der anderen Kandidaten konkurrieren zu können. Zudem muss er seine Sympathisanten überzeugen, dass eine Stimme für ihn keine verschenkte ist. Viele, die sich für Naders Themen interessieren, gehören traditionell zur demokratischen Stammwählerschaft, vor allem unter den schwarzen US-Bürgern. Doch die Ersten scheren aus: Randall Robinson, Vorsitzender der schwarzen Bürgerrechtsorganisation „TransAfrica“, hat sich Nader angeschlossen. Die Demokraten, sagte er, hätten immer die schwarzen Stimmen bekommen und nie ihre Versprechen eingehalten.

In den Bundesstaaten, wo die Stimmung noch unklar ist, kann Nader für Gore gefährlich werden. Doch je enger das Präsidentschaftsrennen wird, desto mehr Anhänger Naders werden für Gore stimmen, um eine Präsidentschaft Bushs zu verhindern.

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